Rz. 77

Es muss zur Anwendbarkeit des § 9 UStG an einen anderen Unternehmer geleistet werden. Das BVerfG hat in seinem Beschluss v. 11.6.1985[1] entschieden, dass die Auffassung des BFH, wonach die Beschränkung des Optionsrechts in § 9 UStG auf Umsätze an andere Unternehmer keinen Grundrechtsverstoß beinhalte, nicht zu beanstanden ist.

 

Rz. 77a

Die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers richtet sich, ebenso wie die Leistenden (Rz. 21ff.), nach § 2 UStG.

Bei Umsätzen an Nichtunternehmer (Privatleute, jur. Personen des öffentlichen Rechts in ihrem Hoheitsbereich, Vereine in ihrem nichtunternehmerischen Bereich) kann § 9 UStG nicht angewandt werden.[2] Zur Trennung der nichtunternehmerischen von der unternehmerischen Sphäre s. Rz. 24f.

 

Rz. 77b

Unter Hinweis auf das BFH-Urteil v. 1.2.2001[3] ordnet Abschn. 9.1 Abs. 6 UStAE seit dem BMF-Schreiben v. 27.10.2021[4] an, dass dann, wenn bei der Vermietung an mehrere Personen die einzelnen Gemeinschafter als Leistungsempfänger anzusehen sind, s. Abschn. 15.2b Abs. 1 UStAE, der Vermieter nur insoweit gem. § 9 UStG zur Steuerpflicht optieren kann, als der Vermietungsumsatz an einen unternehmerisch tätigen Gemeinschafter ausgeführt wird.

 

Rz. 78

Maßgeblich hierfür sind die Verhältnisse im Zeitpunkt, zu dem der Umsatz bewirkt wird. So konnte z. B. vor dem 1.1.1993 bei Leistungen an die Deutsche Bundespost TELEKOM nicht auf eine der in § 9 UStG erwähnten Steuerbefreiungen verzichtet werden, weil diese vor der erst zu diesem Zeitpunkt wirksam gewordenen Änderung des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UStG keine unternehmerische Tätigkeit ausübte.[5] Seit dem 1.1.1993 kann ein Unternehmer die in § 9 UStG erwähnten steuerfreien Umsätze an die Deutsche Bundespost TELEKOM[6] der Besteuerung unterwerfen. Ob z. B. bei einer Vermietung mit einem vor dem 1.1.1993 vereinbarten Mietzins dann zusätzlich die USt verlangt werden kann, richtet sich nach den zivilrechtlichen Absprachen (Rz. 196).

 

Rz. 79

Auf die Steuerfreiheit kann gem. § 9 UStG nicht verzichtet werden, wenn die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers noch fehlt.

 
Praxis-Beispiel

Ein Student der Rechte, welcher die feste Absicht hat, sich eines Tages nach bestandenen Examina als Rechtsanwalt in einem von ihm bereits angemieteten Haus niederzulassen, ist mangels Umsätze noch nicht Unternehmer. Auf die Steuerfreiheit des Vermietungsumsatzes gem. § 4 Nr. 12 UStG kann durch den Vermieter erst verzichtet werden, wenn der Mieter die Tätigkeit als Rechtsanwalt aufnimmt.

Schwierig zu entscheiden kann dabei die Frage werden, ab wann ggf. Vorbereitungshandlungen für die spätere unternehmerische Tätigkeit gegeben sind. Da ernsthafte Vorbereitungshandlungen dem unternehmerischen Bereich zuzurechnen sind, muss für Vorbezüge zur Durchführung der Vorbereitungshandlungen § 9 UStG angewandt werden können. So auch der BFH im Beschluss v. 5.5.1999.[7] Kommt es dann doch nicht zu einer unternehmerischen Betätigung des Leistungsempfängers, geht die Anwendung des § 9 UStG durch den Leistenden nicht ins Leere, so das EuGH-Urteil v. 29.2.1996.[8] Zur nachträglichen Einschränkung des Optionsrechts durch den Gesetzgeber s. Rz. 47.

 

Rz. 80

Wenn der Leistungsempfänger seine Unternehmereigenschaft aufgibt, ist ab dem Zeitpunkt des Verlustes der Unternehmereigenschaft § 9 UStG bei Umsätzen an ihn nicht mehr anwendbar.

 
Praxis-Beispiel

Ein Steuerberater hat mehrere Räume angemietet, in denen er seine Praxis betreibt. Der Vermieter hat gem. § 9 UStG auf die Steuerbefreiung dieser Vermietungsumsätze verzichtet. Wenn der Steuerberater zum 31.12.01 seine Tätigkeit einstellt und die Räume nur noch für seine privaten Wohnzwecke nutzt, kann der Vermieter ab dem 1.1.02 § 9 UStG nicht mehr anwenden (abgesehen davon, dass gem. § 9 Abs. 2 UStG grundsätzlich auf die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 12 UStG bei der Vermietung von Räumen für Wohnzwecke nicht verzichtet werden kann, Rz. 151ff.).

 

Rz. 81

Die Unternehmereigenschaft geht zwar beim Tod eines Unternehmers nicht auf seine Erben über. Wenn die Erben aber das ererbte Unternehmen fortführen, kann der leistende Unternehmer gegenüber den nunmehr als Unternehmer agierenden Erben wie vorher gegenüber dem Erblasser von § 9 UStG Gebrauch machen. Nachdem der BFH im Urteil v. 13.1.2010[9] entschieden hat, dass die Erben, die den Betrieb nicht fortführen, dennoch bei der Abwicklung wie Unternehmer zu behandeln sind, spricht vieles dafür, in dieser Zeit dem Leistenden noch die Anwendung des § 9 UStG bei Umsätzen an die Erben zu gestatten.

 

Rz. 82

Für § 9 Abs. 1 UStG ist es – anders als gem. § 9 Abs. 2 UStG bei Leistungsempfängern, die ihre Vorsteuern nach Durchschnittsätzen gem. §§ 23, 23a und 24 UStG versteuern oder als Kleinunternehmer unter die Nichterhebungsregelung des § 19 UStG fallen[10]- unerheblich, ob der unternehmerische Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug gem. § 15 UStG berechtigt ist oder nicht.

Daher kommt es bei § 9 Abs. 1 UStG nicht darauf an, ob der Leistungsempfänger steuerpflichtige oder steuerfreie Umsätze macht, die zum Vo...

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