Rz. 79

Steuerbefreite Vercharterungen kommen in der Schifffahrtspraxis in verschiedenen Formen vor. Es fallen darunter in erster Linie die Leistungen aus Raumfrachtverträgen (sog. Frachtcharter) i. S. d. § 556 Nr. 1 HGB.[1] Bezieht sich ein solcher Vertrag auf ein Schiff im Ganzen, so spricht man von Vollcharter. Bei Teilcharter und Raumcharter bezieht sich der Frachtvertrag nicht auf ein ganzes Schiff, sondern auf einen verhältnismäßigen Teil bzw. auf einen bestimmt bezeichneten Raum des Schiffes. Bei der Frachtcharter führt der Vercharterer selbst Beförderungsleistungen für seine Auftraggeber (Charterer) aus, und zwar regelmäßig in der Weise, dass er das vercharterte Schiff bzw. dessen Teil oder Räume in seinem Besitz behält und darin die vom Charterer verladenen Gegenstände bewegt.

In der EuGH-Rechtssache C-97/06[2] ging es um die Vercharterung von Seeschiffen. Fraglich war, ob der Begriff der Vercharterung in dem Sinne auszulegen ist, dass er nur die Vercharterung des gesamten Laderaums eines Schiffes (Vollvercharterung) umfasst oder ob darunter auch die Vercharterung eines Teils oder Prozentsatzes des Laderaums eines Schiffes (Teilvercharterung) fällt. Der EuGH hat – zutreffend – i. S. d. Zwecks, der mit der Steuerbefreiung verfolgt wird (Entlastung von Ausfuhrumsätzen und gleichgestellten Leistungen im Hinblick auf die Herstellung der Steuerbelastung im Verbrauchsland), entschieden, dass Art. 148 Buchst. c MwStSystRL keinen Unterschied zwischen der Vollvercharterung und einer Teilvercharterung macht. Die Vorschrift beschränkt sich darauf, die Vercharterung von auf hoher See eingesetzten Schiffen als einen der Fälle der Steuerbefreiung zu bezeichnen, ohne festzulegen, ob es sich dabei um Voll- oder Teilvercharterung handelt. Das deutsche Recht steht mit dieser Entscheidung m. E. in Einklang. § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG definiert als Umsätze für die Seeschifffahrt u. a. Vercharterungen von Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt. Darunter fallen sowohl Teil- als auch Vollvercharterungen. Dies ergibt sich auch aus Abschn. 8.1 Abs. 2 S. 9 und 10 UStAE: Danach handelt es sich in den Fällen der Reise-, Zeit-, Slot- und Bareboat-Vercharterung jeweils um eine steuerfreie Vercharterung eines Wasserfahrzeugs für die Seeschifffahrt. Wesentliches Merkmal dieser Verträge ist das Zurverfügungstellen eines Schiffes bzw. von Schiffsraum. Der EuGH weist auch zutreffend darauf hin, dass nach der MwStSystRL ein Teilchartervertrag nicht einem Güterbeförderungsvertrag gleichgestellt werden kann. Die Richtlinie unterscheidet nämlich zwischen der Steuerbefreiung für Vorumsätze in der Seeschifffahrt und der Befreiung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Einfuhr und der Ausfuhr von Gütern. Güterbeförderungsleistungen sind also u. a. Voraussetzungen steuerbefreit als Charterleistungen. Auch dies entspricht der Betrachtungsweise nach deutschem Umsatzsteuerrecht. Nach Abschn. 8.1 Abs. 2 S. 11 UStAE wird die Beförderung im Rahmen von Stückgutverträgen als Güterbeförderung angesehen, deren Behandlung sich nach §§ 3a, 3b4 Nr. 3 UStG richtet.

 

Rz. 80

Im Gegensatz zur Frachtcharter wird bei der Vermietung (auch Mietcharter genannt) das ganze Schiff dem Mieter als Beförderungsmittel zu dessen eigener Verwendung überlassen.[3] Die steuerfreie Vermietung kann sich auf das unausgerüstete Schiff beziehen,[4] bei der der Charterer selbst für Ausrüstung und Bemannung zu sorgen hat; sie kann jedoch auch die Überlassung eines einsatzfähigen bemannten Schiffes, z. B. eines Werkstattschiffes mit Schiffsbesatzung und Spezialgeräten einschließlich Bedienungspersonal, zum Inhalt haben.[5] Im letztgenannten Fall ist die gesamte Leistung einschließlich Personalgestellung und Schiffsausrüstung umsatzsteuerfrei. Vgl. aber zur Abgrenzung von Werkleistungen, die der Schiffseigner mit seinem Schiff selbst ausführt, Rz. 82.

 

Rz. 81

Für die Steuerfreiheit ist unerheblich, ob das Schiff für eine oder für mehrere bestimmte Reisen vermietet oder verchartert wird (sog. Reisecharter) oder nur auf eine bestimmte Zeit.[6] Abgesehen von dieser Abgrenzung wird in der Praxis oft der Raumfrachtvertrag nur als Reisecharter und die Schiffsmiete mit Employment-Klausel als Zeitcharter bezeichnet. Für Zeit-(Fracht-)Charter-Verträge werden oft Standardverträge verwendet. Der Annahme einer Zeit-(Miet-)Charter steht nicht entgegen, dass bei Spezialschiffen (Rechtsprechungsbeispiele Rz. 80) die Mietdauer oft nicht vorher festgelegt werden kann, sondern sich erst nachträglich aus der Dauer der mit dem Schiffseinsatz verbundenen Arbeiten ergibt.

 

Rz. 82

Dass der Begriff Charter selbst im Zusammenhang mit anderen Begriffen keinen festen rechtlichen Begriffsinhalt hat und seine Grenzen zur Vermietung, insbesondere zur Miete mit Employment-Klausel, flüssig bzw. streitig sind, ist für die Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG unschädlich, weil sowohl Vermietung als auch Vercharterung steuerfrei sind. Da neben diesen Leistungen auch die Lieferung (Rz. 69) der in § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG genan...

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