Rz. 52

Die innergemeinschaftliche (steuerfreie) Lieferung setzt eine steuerbare Lieferung i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und damit voraus, dass der Ort der Lieferung im Inland liegt.[1] Lieferungen, die im Ausland, auch im übrigen Gemeinschaftsgebiet bewirkt werden, sind nicht steuerbar. Diese Bestimmungen finden jedoch nur Anwendung, soweit nicht die Sonderregelungen für den Versandhandel[2], Lieferungen an Bord von Schiffen, Luftfahrzeugen oder Eisenbahnen[3] und Lieferungen von Gas und Elektrizität[4] vorgehen.[5]

 

Rz. 53

Eine Lieferung wird grundsätzlich dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zzt. der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.[6] Das ist der Fall, wenn der Abnehmer oder dessen Beauftragter den Gegenstand der Lieferung abholt.

 

Rz. 54

Für innergemeinschaftliche Lieferungen gilt daher grundsätzlich die Reglung des § 3 Abs. 6 S. 1 UStG.[7] Danach gilt in allen Fällen, in denen der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder deren Beauftragten befördert oder versendet wird, die Lieferung dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Unter Beförderung oder Versendung ist sowohl die des Unternehmers als auch die des Abnehmers oder seines Beauftragten zu verstehen. Eine Versendung ist anzunehmen, wenn der Gegenstand der innergemeinschaftlichen Lieferung im maßgeblichen Zeitpunkt des Verlassens des Inlands nicht durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert, sondern durch Einschaltung selbstständiger Dritter versendet wird.[8] Es liegen damit steuerbare Lieferungen im Inland vor.

Wird bereits vor der Beförderung oder Versendung die Verfügungsmacht über den Gegenstand der Lieferung dem Abnehmer oder dessen Beauftragten verschafft, kann eine innergemeinschaftliche Lieferung auch schon dann vorliegen, wenn der Gegenstand zu einem späteren Zeitpunkt in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wird.

 

Rz. 55

Vom Ort der Lieferung zu unterscheiden ist der Zeitpunkt der Lieferung, auch wenn die beiden häufig zusammenfallen. Der Zeitpunkt der Lieferung ist für die Besteuerung maßgebend.[9] Nach Auffassung des BFH[10] regelt § 3 Abs. 6 UStG nicht nur den Ort, sondern auch den Zeitpunkt der Lieferung. Dies trifft jedoch nur für die sog. Abholfälle zu, in denen der Abnehmer über den Gegenstand der Lieferung mit der Aushändigung die Verfügungsmacht verschafft erhält. Entsprechend sind in Titel V Kap. 1 der MwStSystRL der Ort der Lieferung von Gegenständen[11] und in Titel VI der Steuertatbestand und -anspruch geregelt. Der danach maßgebende Art. 63 der MwStSystRL lässt den Steuertatbestand und -anspruch in dem Zeitpunkt entstehen, in dem die Lieferung der Gegenstände bewirkt, d. h. die Verfügungsmacht verschafft wird (§ 3 Abs. 6 UStG Rz. 47ff.).

 

Rz. 56

Geht der Liefergegenstand vor diesem Zeitpunkt noch im Inland unter oder verloren, liegt kein steuerbarer Umsatz im Inland vor, wenn die Verfügungsmacht an dem Gegenstand noch nicht auf den Abnehmer übergegangen war. War die Verfügungsmacht im Inland dem Abnehmer bereits verschafft, liegt eine steuerbare Lieferung, aber wegen fehlenden Verbringens keine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung vor. Geht der Gegenstand erst im übrigen Gemeinschaftsgebiet unter oder verloren, kommt es zu keiner Lieferung, wenn der Unternehmer das Transportrisiko trägt und noch die Verfügungsmacht über den Gegenstand innehat.

 

Rz. 57

Steht zu Beginn der Beförderung oder Versendung durch den Unternehmer der Abnehmer noch nicht fest (z. B. Messeverkauf, ungewisser Verkauf von z. B. Blumen, zur Ansicht), liegt in diesem Zeitpunkt keine steuerbare Lieferung im Inland vor und damit keine innergemeinschaftliche Lieferung. Kommt in diesen Fällen ein Verkauf im übrigen Gemeinschaftsgebiet zustande, liegt der Ort der Lieferung im anderen Mitgliedstaat; es handelt sich daher nicht um eine im Inland steuerbare Lieferung und folglich nicht um eine innergemeinschaftliche Lieferung (es sei denn, es liegt ein unternehmerisches Verbringen i. S. v. § 3 Abs. 1a UStG vor). Beim Kauf auf Probe liegt eine Lieferung erst vor, wenn die Abnehmer den Gegenstand annimmt; der Ort der Lieferung bestimmt sich daher nach § 3 Abs. 7 UStG.[12]

 

Rz. 58

Die Versendung beginnt gem. § 3 Abs. 6 S. 4 UStG mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten. Voraussetzung ist jedoch, dass der Abnehmer zu diesem Zeitpunkt feststeht.[13] Nach der Auffassung des BFH[14] steht der Abnehmer bei einer Versendung nur fest, wenn sich dieser aus den anlässlich der Beförderung ausgestellten Papieren und Urkunden ergibt. Nach § 3 Abs. 6 S. 3 UStG kann die Versendung durch einen beliebigen Beauftragten erfolgen, auch einem, der keine Frachtpapiere ausstellt oder nur mündlich beauftragt ist. Diese Änderung der Rechtslage hat zur Folge, dass der BFH an der Rechtsprechung, die Person des Abnehmers müsse sich zwingend aus den Frachtpapieren ergeben, nicht mehr festhält.[15] Gleiches gilt für die Rechtsprechung in dem Urteil v. 24.2.19...

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