Rz. 40

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1b UStG setzt voraus, dass die Lieferung einen steuerbaren Umsatz darstellt. Eine innergemeinschaftliche Lieferung fällt daher nur dann unter diese Vorschrift, wenn der Gegenstand der Lieferung von einem Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens geliefert wird und der Ort der Lieferung im Inland liegt.[1]

 

Rz. 41

Eine Lieferung i. S. v. § 6a Abs. 1 UStG liegt nur vor, wenn ein Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen.[2] Das bedeutet, dass der Abnehmer mit dem Liefergegenstand nach Belieben verfahren, insbesondere ihn wie ein Eigentümer nutzen und veräußern kann.[3] Damit verbunden ist der endgültige Übergang von wirtschaftlicher Substanz, Wert und Ertrag.[4] Ist der Unternehmer nicht verfügungsberechtigt (i. d. R. Nichteigentümer), kann er hinsichtlich dieses Gegenstands keine Lieferung erbringen.[5] Der Begriff der Lieferung bestimmt sich nicht nach den in den einzelnen nationalen Vorschriften über die Eigentumsübertragung vorgesehenen Formen.[6] Hiervon ist bei der Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag auszugehen, die allerdings häufig mit der Übertragung bürgerlich-rechtlichen Eigentums verbunden ist.[7] Gegenstände können auch ohne zivilrechtliche Eigentumsverschaffung geliefert werden, z. B. wenn der "Lieferer" die Befähigung, rechtlich über die Gegenstände zu verfügen, und tatsächliche Verfügungsmacht innehat.[8] Außerdem kann die für eine Lieferung notwendige Verschaffung der Verfügungsmacht auch in der freiwilligen Übergabe durch den Eigentümer an den Erwerber zu sehen sein.[9] Daraus folgt, dass – von Ausnahmefällen abgesehen[10] – dem Erwerber Verfügungsmacht verschafft wird, wenn er den Gegenstand abholt.[11]

Die Verfügungsmacht wird nach deutschem Recht verschafft durch Übergabe und Annahme des Gegenstands[12], durch Besitzkonstitut[13] oder durch Abtretung des Herausgabenanspruchs.[14] Die Einräumung mittelbaren Besitzes genügt.[15] Auch mit der Übertragung eines Miteigentums an einem Gegenstand liegt eine Lieferung vor.[16] Bei vereinbartem Eigentumsvorbehalt kommt eine Verschaffung der Verfügungsmacht erst in Betracht, wenn der Rechnungsbetrag bezahlt ist. [17] Wird die Verfügungsmacht erst im übrigen Gemeinschaftsgebiet übertragen (z. B. der Unternehmer befördert oder versendet den Gegenstand an seinen Abnehmer in den anderen Mitgliedstaat), wird der Ort der Lieferung auch nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt.

Diese Voraussetzungen können auch bei Kommissionsgeschäften[18] und Werklieferungen (§ 3 Abs. 4 UStG; Rz. 43ff.) erfüllt sein, nicht aber bei Werkleistungen oder Kauf auf Probe.[19] Die Überlassung von Gegenständen im Leasing-Verfahren wird von der Verwaltung i. d. R. als Lieferung qualifiziert, wenn der Leasinggegenstand einkommensteuerrechtlich dem Leasing-Nehmer zuzurechnen ist.[20] Die Bezugnahme auf einkommensteuerliche Merkmale erscheint nicht mehr ausreichend, ebenso wie die Möglichkeit der Besteuerung nach der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung im anderen Mitgliedstaat.[21] Hat der Leasing-Nehmer noch keine eigentumsähnliche Stellung, ist eine Lieferung erst anzunehmen, wenn ihm das Eigentum übertragen wird.[22] Für das unternehmensinterne Verbringen bestehen Sonderregelungen (Rz. 119ff.). Gegenstände, die im Rahmen von sonstigen Leistungen übergeben werden (z. B. entgeltliche Überlassung von Konstruktionszeichnungen und Bauplänen), fallen nicht unter den Befreiungstatbestand. Bei einer einheitlichen Leistung, die Elemente einer Lieferung wie einer sonstigen Leistung enthält, ist eine Lieferung anzunehmen, wenn die Lieferungselemente aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers und unter Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung bestimmen.[23]

 

Rz. 42

Gegenstände sind körperliche Gegenstände. Zu den Gegenständen gehören auch solche Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsverkehr wie körperliche Gegenstände behandelt werden (z. B. elektrischer Strom, Gas, Wärme, Wasserkraft; Rz. 52). Für unbewegliche Gegenstände (z. B. Grundstücke) kann die Steuerbefreiung nicht in Betracht kommen, weil diese Gegenstände nicht in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangen können. Ebenso kann der Firmenwert oder der Kundenstamm nicht Gegenstand einer innergemeinschaftlichen Lieferung sein; zur Übertragung von Rechten vgl. § 6 UStG Rz. 41.

 

Rz. 43

Zu den Lieferungen gehören auch die Werklieferungen.[24] Werklieferungen sind aber nur innergemeinschaftliche Lieferungen, wenn der Ort der Lieferung im Inland gelegen ist. Wird eine Gesamtanlage in einem anderen Mitgliedstaat erstellt (z. B. eine Fabrik- oder Maschinenanlage wird dort montiert und betriebsfähig gemacht), ist eine im Ausland nichtsteuerbare Lieferung gegeben; diese Vorschrift entspricht Art. 14 Abs. 3 MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten ermächtigt sind, Bauleistungen als Lieferungen zu betrachten.[25] Werden bei Werklieferungen Zwischenerzeugnisse hergestellt bzw. verwendet und berechnet, kann eine steuerfrei...

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