Rz. 208

Die Gelangensvermutung in Beförderungs- und Versendungsfällen ist in Art. 45a der DVO Nr. 282/2011 (MwStVO)[1] über die Bedingungen getroffen worden, unter denen Gegenstände als vom Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der innergemeinschaftlichen Lieferung versandt oder befördert gelten. Damit sollen Schwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten für Unternehmer beseitigt werden, die durch unterschiedliche Ansätze der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Nachweise für innergemeinschaftliche Umsätze entstanden sind. Art. 14 Nr. 2 des Jahressteuergesetzes 2019 (Rz. 15d) hat die Regelung der unmittelbar geltenden Vorschrift des Art. 45a MwStVO aus Gründen der Übersichtlichkeit durch Einfügung von § 17a UStDV übernommen. Die Unionsbestimmung findet seit dem 1.1.2020 Anwendung und tritt neben die bereits bestehenden Nachweisvorschriften der §§ 17b ff. UStDV.

 

Rz. 209

Art. 45a MwStVO (§ 17a UStDV) führt zwei durch die Finanzverwaltung widerlegbare Vermutungen ein[2], bei deren Vorliegen eine Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat angenommen werden kann. Die Vorschrift unterscheidet hinsichtlich der Anforderungen für eine derartige Vermutung – im Gegensatz zu den Nachweiserfordernissen des § 17b UStDV – zwischen der Beförderung oder Versendung durch den Lieferer und der durch den Abnehmer.

 

Rz. 210

Wird der Gegenstand der Lieferung von dem Verkäufer befördert oder versendet, benötigt dieser gem. Art. 45a Abs. 1 Buchst. a MwStVO (§ 17a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStDV) als Nachweis und für die Erfüllung der Vermutung

  • seine Erklärung, dass er den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versandt hat und
  • mindestens zwei Bestätigungen über den Versand oder die Beförderung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet.
 

Rz. 211

Die beiden Bestätigungen dürfen sich nicht widersprechen und müssen von zwei verschiedenen Personen ausgestellt worden sein, die voneinander, vom Lieferanten oder vom Erwerber unabhängig sind. Eine Gelangensbestätigung durch den Erwerber genügt daher diesen Anforderungen nicht. Es dürfte für den Verkäufer fast unmöglich sein, diese Nachweise zu erlangen, wenn er den Gegenstand selbst befördert hat. Diese Vermutung beschränkt sich daher grundsätzlich auf die vom Lieferanten veranlasste Versendung durch einen unabhängigen Dritten. In Betracht kommen als Nachweise für den Versand oder die Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet z. B. ein unterzeichneter CMR-Frachtbrief, ein Konnossement, eine Luftfrachtrechnung oder eine Spediteurrechnung.

 

Rz. 212

Kann der Verkäufer nur eine derartige Bestätigung vorlegen, kann er die zweite Bestätigung für den Versand oder der Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nach Art. 45a Abs. 3 MwStVO[3] auch durch folgende Nachweise ersetzen:

  • Versicherungspolice für die Beförderung oder den Versand,
  • Bankunterlagen, die die Bezahlung des Versands oder der Beförderung der Gegenstände belegen,
  • von einer öffentlichen Stelle z. B. Notar ausgestellte offizielle Unterlagen, die die Ankunft der Gegenstände im
  • Bestimmungsmitgliedstaat bestätigen oder

    eine Quittung, ausgestellt von einem Lagerinhaber im Bestimmungsmitgliedstaat, durch die die Lagerung der Gegenstände in diesem Mitgliedstaat bestätigt wird.

 

Rz. 213

Hat der Abnehmer den Gegenstand der innergemeinschaftlichen Lieferung selbst abgeholt und befördert oder versenden lassen, wird die Warenbewegung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nach Art. 45a Abs. 1 Buchst. b MwStVO[4] vermutet, wenn dieser im Besitz folgender Belege ist:

  • seine schriftliche Erklärung, aus der hervorgeht, dass die Gegenstände vom Erwerber oder auf Rechnung des Erwerbers von einem Dritten versandt oder befördert wurden und
  • mindestens zwei Bestätigungen über den Versand oder die Beförderung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet.

Werden die Voraussetzungen von Art. 45a MwStVO[5] erfüllt, wird widerlegbar vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde. Besteht diese Vermutung nicht, hat der Unternehmer nach § 17b Abs. 1 UStDV durch Belege nachzuweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat.

 

Rz. 214

Für die formelle Ordnungsmäßigkeit des Belegnachweises kommt es nicht darauf an, ob der Belegaussteller über eine formell ordnungsgemäß nachweisbare Vertretungsmacht verfügt. Die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zum Nachweis der Abholberechtigung des Abholenden zählt nicht zu den Erfordernissen für einen i. S. d. § 17a Abs. 1 und 2 UStDV ordnungsgemäßen Belegnachweises.[6] Eine Gelangensbestätigung durch den Erwerber nach § 17b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStDV genügt diesen Anforderungen der schriftlichen Erklärung, wenn in ihr das Ausstellungsdatum, Name und Anschrift des Erwerbers, Menge und Art der Gegenstände, Ankunftsdatum und -ort der Gegenstände sowie Identifikationsnummer des benutzten Fahrzeugs angegeben sind. Wurden die Gegenstände auf Rechnun...

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