Rz. 121

§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG betrifft die Fälle, in denen der Abnehmer oder dessen Beauftragter den Ausfuhrgegenstand bereits im Inland ausgehändigt erhält und die Beförderung oder Versendung des Gegenstands in das Drittlandgebiet veranlasst (sog. Abholfälle). Anders als bei der Versendung oder Beförderung durch den Unternehmer[1] kann das Umsatzgeschäft nicht mit einem inländischen Abnehmer abgeschlossen werden. Um den Missbrauch der Steuerbefreiung bei der Ausfuhr zu verhindern, hat der Gesetzgeber in den Abholfällen nicht auf das Erfordernis der Lieferung an einen ausländischen Abnehmer verzichtet (Rz. 6).

 

Rz. 122

Abholender kann der ausländische Abnehmer, dessen Abnehmer oder ein von einem dieser Abnehmer beauftragter Dritter sein. Als solcher kommt i. d. R. ein ausländischer oder inländischer selbstständiger Unternehmer in Betracht, z. B. der ausländische Spediteur oder ein sonstiger Beauftragter des Ausländers.

 

Rz. 123

Während nach § 4 Nr. 2 d UStG 1951 bei Abhollieferungen der Gegenstand der Lieferung innerhalb von sechs Monaten in das Ausland gelangt sein musste, kennt das Mehrwertsteuergesetz eine solche Frist nicht mehr. Auch die MwStSystRL macht die Steuerbefreiung nicht davon abhängig, dass der für die Ausfuhr bestimmte Gegenstand das Hoheitsgebiet der Union innerhalb einer bestimmten Frist verlassen haben muss. Die Mitgliedstaaten können aus Gründen der Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Steuerbefreiung und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, -umgehung oder –missbrauch eine Frist für die Ausfuhr des Gegenstands festlegen und damit diese Ausfuhrlieferung mit einer Steuer belegen, auch wenn der Gegenstand nach Ablauf der vorgesehenen Frist tatsächlich die Union verlassen hat. Eine solche Regelung ist jedoch nicht verhältnismäßig und für die Erreichung des Ziels nicht notwendig, wenn sie nicht dem Steuerpflichtigen gestattet, für die Zwecke der Steuerbefreiung den Nachweis zu führen, dass die Voraussetzungen der Ausfuhr nach Ablauf der Frist erfüllt worden ist, oder wenn sie nicht die Möglichkeit der Erstattung vorsieht.[2] Anders die Regelung im Reiseverkehr nach § 6 Abs. 3a UStG (Rz. 253).

 

Rz. 124

Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist das Vorliegen eines steuerbaren Umsatzes im Inland. Dieser besteht in einer vor der Ausfuhr im Inland bewirkten Lieferung. Der Abnehmer erhält vom Leistenden bereits im Inland die Verfügungsmacht über den Liefergegenstand mit dessen Aushändigung übertragen. Mit der Verschaffung der Verfügungsmacht wird die Lieferung ausgeführt[3], nämlich mit der Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.[4] Hiervon zu unterscheiden ist die Regelung über den Ort der Lieferung in § 3 Abs. 5ff. UStG, der sich bei "Lieferung von Gegenständen mit Beförderung" nach dem Ort richtet, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befindet.[5]

 

Rz. 125

Eine Beförderung durch den ausländischen Abnehmer liegt vor, wenn Abnehmer selbst oder eine von ihm beauftragte Person, die nicht selbstständiger Versender ist, den Liefergegenstand in das Drittlandsgebiet verbringt (Rz. 102f.). Ein Versenden liegt vor, wenn der Abnehmer den Gegenstand der Ausfuhrlieferung durch einen selbstständigen Dritten (z. B. Spediteur, Post, Bahn) ins Drittlandsgebiet befördern lässt, indem er diesen mit der Beförderung beauftragt.[6] In diesen Fällen erhält der Abnehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand im Inland.[7]

 

Rz. 126

Auch der abholende Beauftragte des Abnehmers braucht den Gegenstand nicht selbst in das Drittlandsgebiet zu befördern, sondern kann sich eines Frachtführers bedienen. Eine Beförderung oder Versendung durch den ausländischen Abnehmer liegt auch vor, wenn der Liefergegenstand zunächst vom liefernden Unternehmer nur in der Union befördert wird, der Abnehmer aber die Ausfuhr über die Unionsgrenze ins Drittlandsgebiet vornimmt. Ein Abholfall ist gegeben, wenn die gelieferten Gegenstände auf einem Schiff befestigt (eingebaut) worden sind und mit dem Schiff verbunden in das Drittlandsgebiet gelangen.[8] Dies gilt auch, wenn der ausländische Abnehmer den Liefergegenstand zunächst durch ein inländisches Tochterunternehmen einer Prüfung unterzieht und von dort an einen Abnehmer im Drittlandsgebiet befördern lässt.[9]

 

Rz. 127

Ein sog. Abholfall einer steuerfreien Ausfuhrlieferung liegt auch dann vor, wenn der ausl. Abnehmer den Liefergegenstand (Maschine) zunächst an seine inländische Tochtergesellschaft befördern lässt, wo der Gegenstand einem Probebetrieb unterzogen wird, und ihn dann von dieser an seinen Kunden im Drittlandsgebiet versenden lässt.[10]

Rz. 128 - 129 einstweilen frei

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