9.1 Rechtsentwicklung

 

Rz. 188

Zum 1.1.1980 war gegenüber der bis dahin geltenden Rechtslage die Steuerbefreiung für die Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten wegen des engen wirtschaftlichen Zusammenhangs auf die Vermittlung dieser Umsätze ausgedehnt worden.[1]

 

Rz. 189

Durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. c des Zweiten Gesetzes zur Änderung des UStG v. 30.3.1990[2] war mWv 1.7.1990 Wort "ähnlichen (Sicherheiten) durch das Wort anderen" (Sicherheiten) ersetzt worden. Seither hat die Vorschrift die heute gültige Fassung. Nach der amtlichen Gesetzesbegründung[3] entspricht die Verwendung der Bezeichnung "andere" Sicherheiten dem gemeinschaftsrechtlichen Wortlaut und dient der Klarstellung, dass die Steuerbefreiung für die Übernahme von Sicherheiten nicht voraussetzt, dass die Sicherheiten rechtlich wie eine Bürgschaft gestaltet sind.

[1] BMF v. 12.5.1980, BStBl I 1980, 238.
[2] BGBl I 1990, 597, BStBl I 1990, 213.
[3] BT-Drs. 11/6174.

9.2 Übernahme von Verbindlichkeiten

 

Rz. 190

"Übernahme von Verbindlichkeiten" bedeutet zivilrechtlich die sog. befreiende "Schuldübernahme" i. S. d. §§ 414ff. BGB. Erfasst werden aber auch die Schuldübernahme und der Schuldbeitritt. Als Beispiele von Verbindlichkeiten, die steuerfrei übernommen werden können, wurden bei Einführung der Befreiung angesehen Pensions- und Rentenverpflichtungen, Einlagen bei der Zusammenlegung von Kreditinstituten und Verbindlichkeiten des Versicherers aus Versicherungsverträgen bei der Übernahme von Versicherungsbeständen.[1] Dabei wurde vorausgesetzt, dass die Schuldübernahme i. d. R. eine Leistung i. S. d. Umsatzsteuerrechts ist, was nicht zutrifft; im Regelfall ist in der Übernahme von Verbindlichkeiten eine Entgeltzahlung zu sehen.[2] Die Unterscheidung zwischen Schuldübernahmen, die unter die Befreiungsvorschrift fallen, und solchen, die nicht steuerbar sind, ist für das Optionsrecht des § 9 UStG von Bedeutung, weil seine Ausübung insoweit einen nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfreien Umsatz voraussetzt.

 

Rz. 191

Es darf sich nicht lediglich um ein Garantiegeschäft mit dem bürgerlich-rechtlich selbstständigen Versprechen des Garantiegebers handeln, einem anderen dafür einzustehen, dass ein bestimmter tatsächlicher oder rechtlicher Erfolg eintritt oder dass sich die Gefahr eines künftigen Schadens nicht verwirklicht.[3] In diesen Fällen kann die Steuerbefreiung für die Übernahme einer Bürgschaft oder anderen Sicherheit in Betracht kommen.

Das erstmalige Eingehen einer Darlehensverbindlichkeit fällt in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG. Die Annahme eines Nachrangdarlehens durch eine GmbH als Darlehensnehmerin, die zur Finanzierung ihrer Tätigkeit Geld von privaten Kapitalanlegern einsammelt, ist eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfreie Leistung, wenn die GmbH mit Abschluss des jeweiligen Darlehensvertrags eine Verbindlichkeit übernommen und der jeweilige Kapitalanleger ein Entgelt in Form eines Agios aufgewendet hat, um die GmbH zum Abschluss des Darlehensvertrags zu veranlassen.[4]

 

Rz. 192

Der Ausnahmefall, dass eine Schuldübernahme nicht nur Entgeltcharakter, sondern auch wirtschaftlich Leistungscharakter hat, liegt dann vor, wenn der Zweitschuldner durch die Schuldübernahme nicht bloß eine Zahlungsverpflichtung erfüllen will, sondern in erster Linie ein eigenes wirtschaftliches Ziel verfolgt. Davon kann ausgegangen werden, wenn anlässlich des Eintritts neuer Arbeitskräfte in das Unternehmen gleichzeitig Renten- bzw. Pensionsverpflichtungen übernommen werden und durch die Übernahme dieser Verpflichtungen das Unternehmen die übernommenen Arbeitskräfte eng mit sich verbinden will. Gemessen daran ist die Übernahme von Schulden (Pensionsverpflichtungen) im Rahmen der Veräußerung eines Geschäfts im Ganzen keine Leistung i. S. d. Umsatzsteuerrechts.[5]

 

Rz. 193

Die Übernahme einer Baulast gegen ein Darlehen zu marktunüblich niedrigen Zinsen kann dagegen einen steuerbaren Umsatz darstellen.[6] Die Übernahme von Renovierungsverpflichtungen im Rahmen von Grundstücksverträgen stellt zwar eine Schuldübernahme gem. § 415 BGB dar, ist aber kein nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfreier Umsatz. In richtlinienkonformer Auslegung und nach dem EuGH-Urteil v. 19.4.2007[7], demzufolge unter den Begriff der "Übernahme von Verbindlichkeiten" gem. Art. 135 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL nur Geldverbindlichkeiten und nicht auch andere geldwerte Verbindlichkeiten wie z. B. Dienstleistungsverpflichtungen fallen, beschränkt sich § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG auf die Übernahme von Schulden/Verpflichtungen in Geld. Dementsprechend liegt auch in Fällen, in denen sich Autoverkäufer nach "Garantiebedingungen" zur Durchführung einer Reparatur im Fall des Schadenseintritts und nicht zu einer Schadensersatzleistung in Geld verpflichten, keine steuerfreie Übernahme von Verbindlichkeiten vor. Danach hat der Käufer/Garantienehmer einen Anspruch gegen den Unternehmer, dass er die entsprechenden Reparaturarbeiten durchführt, also Naturalrestitution leistet. Bei diesem Anspruch handelt es sich...

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