Rz. 122

Im Zusammenhang mit Leistungen, die von der EU-Kommission finanziert werden, ohne dass die Kommission selbst Leistungsempfänger ist, kommt es erfahrungsgemäß häufig zu Schwierigkeiten in der Praxis. Häufig wissen die Leistungserbringer, z. B. Unternehmen oder Hochschulen, die im Rahmen von Forschungsprojekten tätig werden, nicht, wie sie sich bei der Rechnungserteilung verhalten sollen, wenn es in den Finanzbestimmungen für ein Projekt heißt, die EU-Kommission sei (auch als reiner Drittfinanzierer) von allen USt "befreit". Hierzu sollten die nachstehenden Erläuterungen beachtet werden.

 

Rz. 123

Nach Art. 28 Abs. 1 des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften v. 8.4.1965[1] i. V. m. Art. 3 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften[2] sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, geeignete Maßnahmen für den Erlass oder die Erstattung der USt zu treffen, wenn die Europäischen Gemeinschaften für ihren Dienstbedarf größere Einkäufe tätigen, bei denen die USt im Preis enthalten ist.

 

Rz. 124

Wenn auch der Wortlaut dieses Privilegienprotokolls im Hinblick auf die "Einkäufe" der Dienststellen der EU nicht ganz eindeutig ist, so ist durch einen Briefwechsel zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen und der EU-Kommission v. 31.10.1968/23.1.1969 festgelegt worden, dass eine Entlastung in der Bundesrepublik Deutschland u. a. nur erfolgt, wenn die Dienststellen der EU in der Bundesrepublik Waren einkaufen oder sonstige Leistungen in Anspruch nehmen und die USt neben dem Entgelt gesondert in Rechnung gestellt und bezahlt ist.

 

Rz. 125

Entscheidend für die vorbeschriebene Entlastung von der USt ist jedoch in erster Linie, dass der Leistungserbringer (z. B. eine Universität) mit seinen Leistungen (z. B. Forschungsleistungen) unternehmerisch und nicht hoheitlich tätig wird. Liegt ein Hoheitsbetrieb vor, so wird der Leistungserbringer (z. B. eine Hochschule) nicht unternehmerisch tätig. Die Gegenleistung für die hoheitlich erbrachte Leistung stellt entweder eine öffentlich-rechtliche Abgabe oder ein Entgelt dar, das nicht im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art erhoben wird. Wenn ein Betrieb gewerblicher Art vorliegt, ist zu prüfen, ob und inwieweit Leistungen gegen Entgelt erbracht werden.

 

Rz. 126

Wenn der Leistungserbringer unternehmerisch tätig wird und die Leistung unmittelbar z. B. an die EU-Kommission erbringt, kann er Vorsteuerbeträge, die z. B. durch den Erwerb, die Herstellung oder die Verwendung von Material anfallen, gemäß den Vorschriften der Art. 167ff. MwStSystRL bzw. § 15 UStG abziehen. Forschungsleistungen von Hochschulen unterliegen in diesem Fall der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 7 S. 1 Buchst. d UStG. Die Verwendung des Gegenstands für hoheitliche Zwecke unterliegt in dem Fall allerdings der Besteuerung.

 

Rz. 127

Für den Fall hoheitlicher Tätigkeit ist der vorbeschriebene Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Eine Hochschule würde also mit der USt belastet, die im Preis der von ihr erworbenen Gegenstände bzw. Dienstleistungen enthalten ist. Sie könnte diese Steuer nur über den Preis für ihre Leistung an die EU-Kommission weitergeben. Die EU-Kommission müsste in diesem Fall auch die Mehrwertsteuer auf den Eingangsleistungen finanzieren. Eine Entlastung von dieser Steuer ist ausgeschlossen.

 

Rz. 128

Die Umsatzsteuerentlastung (unmittelbare Steuerbefreiung) setzt also voraus, dass zwischen der jeweiligen zuständigen Dienststelle der EU und dem leistenden Unternehmer bzw. dem Betrieb gewerblicher Art einer Hochschule unmittelbare Rechts- und Leistungsbeziehungen bestehen (das Forschungsunternehmen/die Universität ist in die vertragliche Gestaltung einbezogen worden und wird unmittelbar im Auftrag der Dienststelle der EU tätig).

 

Rz. 129

Als Fazit ist somit festzustellen, dass die Europäische Kommission bzw. ihre Dienststellen nur dann von deutscher USt entlastet werden (entweder durch eine nachträgliche Erstattung oder durch eine Steuerbefreiung), wenn sie in unmittelbaren Rechtsbeziehungen mit einem Unternehmer steht, dessen Leistung in den Anwendungsbereich der USt fällt. Dieser Unternehmer ist auch berechtigt, die auf den Eingangsleistungen lastende USt als Vorsteuer abzuziehen. Ansonsten kann die EU-Kommission – mittelbar – mit deutscher USt belastet sein (nicht abzugsfähige Vorsteuer beim Vertragspartner).

[1] BGBl II 1965, 1454.
[2] BGBl II 1965, 1482.

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