Rz. 30

Das Tatbestandsmerkmal "für Erziehungszwecke bei sich aufnehmen" i. S. d. § 4 Nr. 23 UStG i. d. F. bis 31.12.2019 muss nicht eng ausgelegt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Personen, die bereits berufstätig sind, "für Erziehungszwecke" aufgenommen werden. Das wird vor allem dann anzunehmen sein, wenn es sich bei den aufgenommenen Personen zum größten Teil um noch junge, erziehbare und bildungsfähige Menschen im Alter bis zu 27 Jahren handelt. Bei ihnen muss die Erziehungsarbeit nicht unbedingt dadurch enden, dass sie erwerbstätig werden.[1]

 

Rz. 31

Ab dem 1.1.2020 sind nach § 4 Nr. 23 S. 1 Buchst. a UStG die Erziehung (von Kindern und Jugendlichen) und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen steuerfrei. Der allgemeine Sprachgebrauch versteht unter Erziehung eine planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung des heranwachsenden Geschlechts mit dem Ziel, vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft heranzubilden.[2] Zweck der Erziehung ist die körperliche, geistige und charakterliche Formung junger Menschen zu tüchtigen, mündigen Menschen, wobei unter Mündigkeit die Fähigkeit verstanden wird, selbstständig und verantwortlich die Aufgaben des Lebens zu bewältigen. Erziehung erfasst damit alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten, die den Erziehungsvorgang (Entwicklungsvorgang) beeinflussen. Zur Erziehung gehören außer der – regelmäßig im Wege des Unterrichts dargebotenen – Wissensvermittlung die Willensbildung und die Charakterbildung.[3]

Nach der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 23 UStG i. d. F. ab 1.1.2020[4] umfasst der Begriff "Erziehung" die gesamte geistige, sittliche und körperliche Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Begünstigte Erziehungsleistungen umfassen insbesondere altersgerechte Sprach- und Wissensvermittlung, Angebote von Musik-, Kunst- und Bewegungserziehung sowie die Vermittlung von sozialen Kompetenzen und Werten. Die ebenfalls unter die zugrunde liegende unionsrechtliche Befreiungsnorm des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL fallenden Bildungsleistungen werden von § 4 Nr. 21 UStG erfasst. Hierunter fallen Leistungen, die neben der Erziehung von Kindern und Jugendlichen in erster Linie einen Bildungszweck verfolgen.

[3] Wissensbildung; Tätigkeiten, die darauf zielen, dass sich der Erzogene selbst zu sehen und zu beurteilen lernt; Bildung der Entscheidungsfähigkeit; das Lernen, Entscheidungen als rationale Akte zu steuern, Folgen zu bedenken usw., vgl. BFH v. 21.11.1974, II R 107/68, BStBl II 1975, 389.
[4] BT-Drs. 19/13436.

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