Rz. 1

Den verbindlichen unionsrechtlichen Vorgaben folgend enthält § 4 Nr. 20 UStG eine zwingende Steuerbefreiung für bestimmte kulturelle Dienstleistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts und von Einrichtungen anderer Unternehmer, denen bescheinigt wurde, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die Einrichtungen des öffentlichen Rechts erfüllen, sowie für die Veranstaltung derartiger Dienstleistungen. Die Umsatzsteuerbefreiung kann wegen des mit ihr verbundenen Verlusts des Vorsteuerabzugs für die Unternehmer insbesondere dann durchaus nachteilig sein, wenn Investitionen getätigt wurden. Gleichwohl steht die Steuerbefreiung nicht im Belieben des Unternehmers, sondern ist anzuwenden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, also insbesondere, wenn die gleichen kulturellen Aufgaben wie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erfüllt werden. Ob dies der Fall ist, hat mit gutem Grund nicht die Finanzverwaltung zu entscheiden, denn dort fehlt das kulturelle Fachwissen, sondern – auf Antrag – die für den Unternehmer jeweils zuständige Landeskulturbehörde. Die Steuerbefreiung steht somit nicht zur Disposition des Unternehmers oder der Finanzverwaltung, sondern ist zwingend anzuwenden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, also insbesondere, wenn die Künstler oder Veranstalter die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen wie die Einrichtungen des öffentlichen Rechts. Nicht maßgebend ist dabei, ob es sich um ein den staatlichen Einrichtungen vergleichbares Unternehmen handelt. Eine Wahlmöglichkeit (Optionsrecht) der Unternehmer hinsichtlich der Inanspruchnahme der Steuerbefreiung besteht nicht.

 

Rz. 2

Eine Differenzierung nach der Art der Musik (Pop oder Klassik) oder nach der Art der Kunstgattung kommt hierbei nicht in Betracht. Ebenso wenig kommt eine Einschränkung der Steuerbefreiung in Betracht, die darauf ausgerichtet ist, gewerblich (kommerziell) ausgerichtete Unternehmen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift auszuschließen oder deren Anwendung auf dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten zu begrenzen. Jede Befreiung nach Art. 132 MwStSystRL ist unabhängig und klar definiert. Nichts im Wortlaut der Bestimmung lässt darauf schließen, dass ihre Anwendung auf gewerbliche Dienstleistungen ausgeschlossen ist. Hierzu führte der EuGH bereits in seinem Urteil v. 3.4.2003[1] aus, dass der gewerbliche Charakter einer Dienstleistung dem nicht entgegenstehe, dass sie in den Geltungsbereich der Befreiungen nach Art. 132 MwStSystRL fällt. Der EuGH befand weiterhin, dass sich aus der Überschrift als solcher keine Einschränkungen der Möglichkeiten der Steuerbefreiungen nach dieser Bestimmung ergäben. Daraus folgt, dass eine mit einem solchen Ansatz verfolgte Erweiterung der Bestimmung der MwStSystRL um eine darin nicht enthaltene Bedingung dazu führen würde, dass jedweder Befreiung nach Art. 132 MwStSystRL weitere Kriterien zugrunde gelegt werden müssten, die eine einheitliche Anwendung und Auslegung nicht mehr gewährleisten würden. Auf der Grundlage dieser Überlegungen ist somit eine Differenzierung der Leistungen und der damit einhergehenden Umsätze derart vorzunehmen, dass maßgeblich auf die Vergleichbarkeit der kulturellen Aufgaben abgestellt wird und nicht vorrangig Inhalt, Art sowie ggf. der kommerzielle Charakter einer Veranstaltung/Darbietung oder eines Veranstalters als Ausschlusskriterium heranzuziehen sind. In diesem Zusammenhang kann es auch nicht darum gehen, bei privaten Kulturanbietern im Einzelfall eintretende steuerliche Vorteile in Form eines Vorsteuerüberhangs, die sich im Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ergeben können, zu verhindern. Somit ist eine Differenzierung der Leistungen und der damit einhergehenden Umsätze derart vorzunehmen, dass maßgeblich auf die Vergleichbarkeit der kulturellen Aufgaben abgestellt wird und nicht vorrangig Inhalt, Art sowie ggf. der kommerzielle Charakter einer Veranstaltung/Darbietung oder eines Veranstalters als Ausschlusskriterium heranzuziehen sind. Unerheblich ist auch, ob die Anwendung der Steuerbefreiung bei privaten Kulturanbietern mögliche steuerliche Vorteile in Form eines Vorsteuerüberhangs, die sich bei einer Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ergeben können, verhindert.

 

Rz. 3

Bei dem nach § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 2 UStG für (umsatzsteuerbefreite) Umsätze anderer Unternehmer zwingend durchzuführenden Bescheinigungsverfahren handelt es sich um ein zweistufiges Prüfverfahren. In diesem Verfahren steht der Finanzverwaltung ein eigenes – vom BVerwG[2] bestätigtes – (korrektives) Antragsrecht zu, um sicherstellen zu können, dass die umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben insgesamt beachtet werden. Wird einem anderen Unternehmer nach den obigen Voraussetzungen eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 2 UStG erteilt, prüft die zuständige Kultusbehörde, ob von dem Unternehmer "die gleichen kulturellen Aufgaben" wie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erfüllt werden. Der Prüfungsumfang der Finanzbehörde erstreckt ...

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