Rz. 18

§ 4 Nr. 18 UStG beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. In Bezug auf Pflegeleistungen durch andere Unternehmer als Einrichtungen des öffentlichen Rechts knüpft diese Bestimmung an leistungs- wie auch an personenbezogene Voraussetzungen an: Es muss sich um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen handeln, der leistende Unternehmer muss als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt sein. Zwar hat der EuGH mit Urteil v. 7.9.1999[1] seine Entscheidung v. 11.8.1995[2] revidiert. Er hat entschieden, dass die in den Buchst. b und g von Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL enthaltenen Begriffe "andere ordnungsgemäß anerkannte Einrichtungen gleicher Art" bzw. "andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" auch natürliche Personen umfassen. Der Begriff der Einrichtung setzt deshalb keine bestimmte Rechtsform voraus. Es kann sich auch um eine Vereinigung mehrerer natürlicher Personen handeln. Einrichtungen i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL können danach grundsätzlich auch natürliche Personen sein. Dennoch können sich Einzelunternehmer[3] im Hinblick auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG grundsätzlich nicht mit Erfolg unmittelbar auf das Unionsrecht berufen. Der EuGH hat mit Urteil v. 10.9.2002[4] zur Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL entschieden, es sei Sache der nationalen Behörden, nach dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte, insbesondere unter Berücksichtigung der Praxis der zuständigen Verwaltung zu bestimmen, welche Einrichtungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL anzuerkennen sind. Dabei kann das Bestehen spezifischer Vorschriften berücksichtigt werden, gleich ob es sich dabei um nationale oder regionale, um Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, um Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handelt. Es kann auch berücksichtigt werden, dass Gemeinschaften mit den vergleichbaren Tätigkeiten wegen des mit diesen Tätigkeiten verbundenen Gemeinwohlinteresses bereits in den Genuss einer ähnlichen Steuerbefreiung kommen, und dass die Kosten der erbrachten Leistungen möglicherweise zum großen Teil von durch Gesetz errichteten Krankenkassen oder von Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden.

 

Rz. 19

Nach der Rechtsprechung des EuGH[5] genügt es für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, dass folgende zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Es muss sich um Leistungen handeln, die mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit eng verbunden sind, und
  • diese Leistungen werden von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind, erbracht.

Zu einer „Einrichtung für betreutes Wohnen“ i. S. d. belgischen Rechts hat der EuGH entschieden, dass wenn der Unternehmer keine Einrichtung des öffentlichen Rechts i. S. v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Richtlinie ist, seine Umsatztätigkeit nur dann nach dieser Vorschrift steuerbefreit sein kann, wenn der Unternehmer unter den Begriff „andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ i. S. d. Bestimmung fällt. Die Anerkennung als soziale Einrichtung ist grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten.

[6]

 

Rz. 20

Während allgemeine Geschäftsführungs- und Verwaltungsleistungen, die im Zusammenhang mit den o. g. Leistungen stehen, von der Steuerbefreiung nicht erfasst werden und steuerpflichtig sind[7], können zu den eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene – und somit steuerfreie – Leistungen z. B. die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftiger Personen[8] oder die Kinderbetreuung durch Tageseltern[9] gehören. Darüber hinaus ist auch die Vermittlung von Tageseltern nach dieser Bestimmung steuerfrei, wenn sich die Vermittlung nicht auf eine bloße Nachweistätigkeit beschränkt, sondern aufgrund weiter gehender Prüfungstätigkeiten hinsichtlich der Geeignetheit und Qualifikation der Tageseltern eine besondere Qualität des Kinderbetreuungsdienstes gewährleistet.[10]

Entgeltliche Personalgestellungen stellen als solche keine im sozialen Bereich erbrachten Gemeinwohldienstleistungen dar und sind somit keine "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Umsätze" i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Dies gilt auch dann, wenn die aufgrund der Gestellung auszuführende Tätigkeit als Leistung der Sozialfürsorge zu charakterisieren ist und die Gestellung an eine Einrichtung mit sozialem Charakter oder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts erbracht wird. Es spielt insoweit weder eine Rolle, dass die betreffenden Arbeitnehmer Pflegekräfte sind, noch, dass diese anerkannten Pflegeeinrichtungen zu...

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