Rz. 17

§ 4 Nr. 17 Buchst. a UStG beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL. Danach befreien die EU-Mitgliedstaaten die "Lieferung von menschlichen Organen, menschlichem Blut und Frauenmilch". Danach dürfte § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG richtlinienkonform sein. Dies ergibt sich auch aus dem EuGH-Urteil v. 3.6.2010.[1] Das belgische Vorabentscheidungsersuchen betraf die Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. d der 6. EG-Richtlinie.[2] Die Vorinstanz im belgischen Ausgangsverfahren hatte die Auffassung vertreten, dass mit dem in der Vorschrift enthaltenen Begriff der "Lieferung" keine Lieferung von Gegenständen – i. S. e. Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen – gemeint sein könne, weil die beschriebenen Objekte (menschliche Organe, menschliches Blut, Frauenmilch) "nicht verkehrsfähig" seien. Folglich müsse unter dem Begriff der "Lieferungen" die Beförderung dieser Objekte verstanden werden. Die Klägerin führte Beförderungen von menschlichen Organen und dem menschlichen Körper entnommenen Substanzen für verschiedene Krankenhäuser und Laboratorien durch. Die belgische Verwaltung besteuerte diese Beförderungen, während die Klägerin die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL für anwendbar hielt. Der EuGH hat entschieden, dass die Steuerbefreiung nicht auf die bloße Beförderung der dort genannten Gegenstände anzuwenden ist. Der in der Vorschrift genannte Begriff "Lieferungen" ist als "Lieferung eines Gegenstands" i. S. d. Art. 14 MwStSystRL zu verstehen. Der bloße Transport erfüllt nicht die Voraussetzungen der Definition der "Lieferung eines Gegenstands", da die Beförderung den Empfänger nicht ermächtigt, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen. Nach den weiteren Entscheidungsgründen nimmt der Umstand der mangelnden Verkehrsfähigkeit der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL genannten Gegenstände der Steuerbefreiung nicht die praktische Wirksamkeit. Es reicht nach Auffassung des EuGH für die praktische Wirksamkeit aus, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verkehrsfähigkeit in anderen Mitgliedstaaten besteht. § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG steht im Einklang mit dem Urteil. Nach der Vorschrift ist ausschließlich die Lieferung (nicht die Beförderung) der dort genannten Gegenstände steuerfrei. Mit Urteil v. 2.7.2015[3] hat der EuGH ergänzend entschieden, dass die streitige Transporttätigkeit offensichtlich keine Heilbehandlung i. S. v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b oder c der 6. EG-Richtlinie[4] darstellt. Es handele sich nicht um ärztliche Leistungen, die unmittelbar tatsächlich dem Zweck dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen, oder tatsächlich dem Zweck dienen, die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.

 

Rz. 18

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL. Danach befreien die EU-Mitgliedstaaten die "von ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen durchgeführte Beförderung von kranken und verletzten Personen in dafür besonders eingerichteten Fahrzeugen". Die Steuerbefreiung scheidet demnach[5] für Rettungsleistungen aus, die nicht in einer Personenbeförderung bestehen.

 

Rz. 19

Zwar hat der EuGH[6] entschieden, dass die in den Buchst. b und g von Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL enthaltenen Begriffe "andere ordnungsgemäß anerkannte Einrichtungen gleicher Art" bzw. "andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" auch natürliche Personen umfassen. Der Begriff der Einrichtung setzt deshalb keine bestimmte Rechtsform voraus. Es kann sich auch um eine Vereinigung mehrerer natürlicher Personen handeln. Das Urteil ist eine Korrektur der Entscheidung des EuGH v. 11.8.1995[7], wonach natürliche Personen nicht unter die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallen könnten. Insofern ist der Umstand, dass die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG allen Unternehmern offen steht (der Kreis der begünstigten Unternehmer ist in der Vorschrift nicht näher bestimmt), mit dem Unionsrecht vereinbar.

 

Rz. 20

Es ist jedoch zu beachten, dass nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL die Steuerbefreiung nur für Leistungen von "ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen" in Betracht kommen kann. Diese Einschränkung macht § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG nicht. In seinem Urteil v. 10.9.2002[8] hat der EuGH im Hinblick auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (dort geht es auch um von den Mitgliedstaaten anzuerkennende Einrichtungen) zwar entschieden, es sei Sache der nationalen Behörden, nach dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte, insbesondere unter Berücksichtigung der Praxis der zuständigen Verwaltung zu bestimmen, welche Einrichtungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL anzuerkennen sind. Dabei kann das Bestehen spezifischer Vorschriften berücksichtigt werden, gleich ob es sich da...

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