Rz. 34

Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden, steuerbefreit. Unter Beachtung der Rechtsprechung des EuGH sind "ärztliche Heilbehandlungen" i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ebenso wie "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Die befreiten Leistungen müssen dem Schutz der Gesundheit des Betroffenen dienen.[1] Dies gilt unabhängig davon, um welche konkrete heilberufliche Leistung es sich handelt (Untersuchung, Attest, Gutachten usw.), für wen sie erbracht wird (Patient, Gericht, Sozialversicherung o. a.) und wer sie erbringt (freiberuflicher oder angestellter Arzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut oder Unternehmer, der ähnliche heilberufliche Tätigkeiten ausübt, bzw. Krankenhäuser, Kliniken usw.). Heilberufliche Leistungen sind daher nur steuerfrei, wenn bei der Tätigkeit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Eine gesetzliche Definition gibt es allerdings weder in der MwStSystRL noch im UStG. Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), die mit einer Selbstbeteiligung an den Kosten durch den Patienten erbracht werden, können je nach Einzelfall auch Heilbehandlungen sein.

 

Rz. 35

Soweit § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG von Umsätzen (Heilbehandlungen) spricht, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Angehöriger einer der dort bezeichneten Berufe durchgeführt werden, bedeutet dies, dass die Steuerbefreiung nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen auszulegen ist. Steuerfrei sind nur bestimmte Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt usw. oder aus ähnlicher heilberuflicher Tätigkeit, nicht jedoch alle Umsätze schlechthin.[2] Dabei wird dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten eine erhöhte Bedeutung beigemessen.[3] Mitterweile sieht der EuGH diese Voraussetzung allerdings differenzierter und sieht die Vorausetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG auch als gegeben an, wenn kein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten besteht.[4]

 

Rz. 36

Leistungen der sog. medizinischen Callcenter unterliegen grundsätzlich nicht der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG. Im Einzelfall, z. B. wenn die Leistungen im Rahmen von Patientenbegleit-/-betreuungsprogrammen mit telefonischer Beratung erfolgen, kann ggf. eine Steuerbefreiung vorliegen.[5]

 

Rz. 37

Bei Vorsorgeuntersuchungen, bei denen Krankheiten möglichst frühzeitig festgestellt und mit größtmöglicher Aussicht auf Erfolg behandelt werden sollen, wie z. B. Krebsfrüherkennung oder Glaukomfrüherkennung, steht regelmäßig die medizinische Betreuung des Patienten im Vordergrund; sie sind in diesen Fällen umsatzsteuerfrei. Leistungen, die lediglich der Steigerung des allgemeinen Gesundheitszustands dienen und nicht auf einer konkreten medizinischen-therapeutischen Indikation im Einzelfall beruhen, sind umsatzsteuerpflichtig.

 

Rz. 38

Liegt eine ärztliche Verordnung für eine Behandlung vor, kann dieses (lediglich) als Indiz dafür gewertet werden, dass bei der Behandlung der therapeutische Zweck im Vordergrund steht. Als ärztliche Verordnung gilt im Allgemeinen sowohl das Kassenrezept als auch das Privatrezept; bei Rezepten von Heilpraktikern handelt es sich durchweg um Privatrezepte. Eine Behandlungsempfehlung durch einen Arzt oder Heilpraktiker, z. B. bei Antritt des Aufenthalts in einem "Kur"-Hotel, gilt nicht als für die Steuerbefreiung ausreichende Verordnung.[6]

 

Rz. 39

Voraussetzung der Steuerbefreiung ist die Zugehörigkeit des Unternehmers zu bestimmten, weder im Gesetz noch in Abschn. 4.14.4 UStAE abschließend aufgezählten Heil- und Heilhilfsberufen sowie die Art der Tätigkeit. Es darf sich nur um eine heilberufliche Tätigkeit handeln.[7] Bei der ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit muss es sich nicht um eine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handeln.

 

Rz. 40

Während der Gesetzeswortlaut bei der Aufzählung der begünstigten Berufe eine Klassifizierung als heilberufliche Tätigkeiten vornimmt und die Finanzverwaltung auch den Begriff der "Gesundheitsfachberufe" verwendet[8], differenziert die Fachwelt zwischen sog. Heilberufen (Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker) und Heilhilfsberufen (Physiotherapeut bzw. Krankengymnast, Hebamme).[9] Klinische Chemiker gehören nicht zu den Heil- und Heilhilfsberufen und sind in der Vorschrift auch nicht erwähnt. Ihre Tätigkeit ist im Wesentlichen gleichwohl deshalb steuerbefreit, um im Verhältnis zu den Laborärzten eine Ungleichbehandlung zu verhindern. Da die Leistungen eines klinischen Chemikers nicht auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und behandelnder Person beruhen, werden diese von § 4 Nr. 14 Buchst b S. 2 Doppelbuchst. bb UStG mit er...

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