Rz. 11

§ 4 Nr. 12 UStG beruht auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. l i. V. m. Abs. 2 MwStSystRL.

 

Rz. 12

Die Befreiungsvorschrift war im ursprünglichen Vorschlag für eine 6. EG-Richtlinie der EU-Kommission[1] enger gefasst. Insbesondere war von der Befreiung ausdrücklich die Vermietung von Grundstücken ausgenommen, die gewerblichen Zwecken dienen (Fabriken, Läden, Plätze und Stände sowie Kühlhäuser). Allerdings war der Ausnahmekatalog der Steuerbefreiung abschließend. Die Mitgliedstaaten sollten keine weiteren Ausnahmen von der Steuerbefreiung vorsehen können. Dieser Konzeption war der Rat der Europäischen Union nicht gefolgt. Der Anwendungsbereich der Steuerbefreiung erstreckt sich nach der verabschiedeten und mit der MwStSystRL zum 1.1.2007 inhaltlich unveränderten Vorschrift auf die Vermietung aller Grundstücke, gleichgültig, ob der Mieter sie zu gewerblichen oder sonstigen unternehmerischen Zwecken (z. B. Fabriken und Läden) oder zu privaten Zwecken (z. B. Wohnungen) nutzt.

 

Rz. 13

Eine obligatorische Befreiung für die Vermietung aller Arten von Grundstücken (z. B. gewerblich genutzte) hätte wegen der damit verbundenen Versagung des Vorsteuerabzugs zu einer Kumulativwirkung auf den folgenden Umsatzstufen geführt. Um dies zu vermeiden, hatte der Rat den Kommissionsvorschlag dahin gehend ergänzt, dass die Mitgliedstaaten weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich der Befreiung vorsehen können. Außerdem war eine Optionsmöglichkeit[2] eröffnet worden, wonach die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen (Unternehmern) das Recht einräumen können, u. a. bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken für eine Besteuerung zu optieren.

 

Rz. 14

Der Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ist in der Richtlinienvorschrift nicht näher definiert. In der Begründung des damaligen Vorschlags der EU-Kommission wird insoweit allgemein, d. h. mit Blick auf die Steuerbefreiung insgesamt, ausgeführt, dass bei der Aufstellung des Katalogs der Steuerbefreiungen einerseits den in den Mitgliedstaaten bereits bestehenden Steuerbefreiungen Rechnung getragen und andererseits die Steuerbefreiungen so niedrig wie möglich gehalten werden sollten.

 

Rz. 15

Die Entstehungsgeschichte der Richtlinienvorschrift deutet darauf hin, dass der Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken nicht eingeschränkt auf bestimmte Arten von Vermietungsleistungen (z. B. eine reine Wohnungsvermietung) ausgelegt werden muss, sondern dass der Begriff umfassender aufzufassen ist. Dies stand im Gegensatz zur alten Rechtsprechung des BFH, die auf den zivilrechtlichen Grundstücksbegriff abgestellt hatte. Davon war der BFH in seinem Vorlagebeschluss v. 25.5.2000[3] jedoch abgerückt. Dies wurde dann auch vom EuGH v. 16.1.2003[4] bestätigt (Rz. 42ff.). Der Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ist nach unionsrechtlichen Maßstäben auszulegen.

 

Rz. 16

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH[5] sind die Steuerbefreiungen nach Art. 132ff. MwStSystRL grundsätzlich eng auszulegen. Einer solchen Auslegung ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL aber insoweit nicht zugänglich, als die dort geregelte Befreiung sehr weitgehend formuliert ist, da sie sich – vorbehaltlich der in Art. 135 Abs. 2 MwStSystRL aufgeführten Ausnahmen – auf die Vermietung und Verpachtung jeder Art von Grundstücken erstreckt. Die Vorschrift spricht wörtlich von der "Vermietung und Verpachtung von Grundstücken" und schließt in Abs. 2 ausdrücklich die dort in den Buchst. a bis d genannten Dienstleistungen von der Steuerbefreiung nach Abs. 1 Buchst. l aus. Dies legt nahe, dass es sich bei den in den Buchst. a bis d von Art. 135 Abs. 2 MwStSystRL genannten Dienstleistungen um besondere Formen der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken handelt und nicht etwa um Leistungen, die keine Merkmale einer Vermietungs- oder Verpachtungsleistung enthalten. Anderenfalls wäre eine ausdrückliche Ausnahmebestimmung nicht erforderlich gewesen, denn die Leistungen wären von vornherein nicht in dem – abschließend geregelten – Befreiungskatalog enthalten. Ausnahmen von der betreffenden Befreiung (z. B. Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b MwStSystRL) sind dagegen nicht eng auszulegen.[6] So kann § 4 Nr. 12 S. 2 UStG hinsichtlich der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von zum Verkauf bestimmten Fahrzeugen richtlinienkonform nicht schon allein deshalb einschränkend ausgelegt werden, weil andere verbindliche Sprachfassungen des Art. 135 Abs. 2 S. 1 Buchst. b MwStSystRL bzw. zuvor Art. 13 Teil B Buchst. b S. 1 Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie – wie z. B. die englische (for the parking) oder französische (pour le stationnement) – möglicherweise für ein einschränkendes Verständnis dieser Bestimmung i. S. v. "Parken" sprechen. Denn liegen unterschiedliche Sprachfassungen einer Unionsbestimmung vor, muss sie im Licht aller Sprachfassungen der Gemeinschaft einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Dabei ist grundsätzlich allen Sprachfassungen der gleiche Wert beizumessen. Falls die Fassungen voneinander abweich...

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