Rz. 27

§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG befreit die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a UStG). Mit der Errichtung des Binnenmarkts zum 1.1.1993 entfielen die steuerlichen Grenzkontrollen und die Steuergrenzen an den Binnengrenzen der EG. Bis zum 31.12.1992 wurden Lieferungen in einen anderen Mitgliedstaat bei der Ausfuhr durch die entsprechende Steuerbefreiung von der USt entlastet. Die bis zum 31.12.1992 geltende Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen wurde ab 1.1.1993 mit der Einrichtung des europäischen Binnenmarkts im innergemeinschaftlichen Warenverkehr durch eine Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen ersetzt. Die Waren gelangen also grundsätzlich weiterhin unbelastet über die innergemeinschaftlichen Grenzen und die Belastung mit USt erfolgt erst im Bestimmungsland.

 

Rz. 28

Unter welchen Voraussetzungen eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt, wird in § 6a UStG definiert. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG regelt nur die Rechtsfolge der Steuerbefreiung.

Ab 1.1.2020 wird nach dem 2. Halbs. von § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung versagt, wenn der liefernde Unternehmer seiner Pflicht zur Abgabe der ZM[1] nicht, nicht vollständig und richtig im Hinblick auf die jeweilige Lieferung nachgekommen ist. Eine etwaige Versagung der Steuerbefreiung tritt somit zeitlich regelmäßig nach Bewirken des Umsatzes ein, weil die Abgabe einer ZM zu einer innergemeinschaftlichen Lieferung immer erst später (bis zum 25. Tag nach Ablauf jedes Kalendermonats (Meldezeitraum), in dem die innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt wurde[2]) erfolgt und somit frühestens erst in diesem Zeitpunkt feststehen kann, ob die Abgabe der ZM ordnungsgemäß war. Außerdem ist der Unternehmer, der nachträglich erkennt, dass eine von ihm abgegebene ZM unrichtig oder unvollständig ist, verpflichtet, die ursprüngliche Meldung innerhalb eines Monats zu berichtigen.[3] Die Richtigkeit und Vollständigkeit einer ZM stehen insbesondere auch im Hinblick auf diese Berichtigungsmöglichkeit regelmäßig erst in einem bestimmten zeitlichen Abstand zu der innergemeinschaftlichen Lieferung fest. Somit ist das in § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG enthaltene Tatbestandsmerkmal der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung systematisch nicht in der Definition einer innergemeinschaftlichen Lieferung[4] enthalten. Berichtigt der Unternehmer eine ursprünglich unrichtig oder unvollständig abgegebene ZM, wirkt dies für Zwecke der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung auf den Zeitpunkt des Umsatzes zurück. Entsprechendes gilt für die verspätete Abgabe einer richtigen und vollständigen ZM.[5]

Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen sollte nach dem v.g. BMF-Schreiben nicht zur Anwendung kommen können, wenn der Unternehmer eine fehlerbehaftete ZM nicht innerhalb der Monatsfrist von § 18a Abs. 10 UStG korrigiert. Diese Auffassung war einerseits nachvollziehbar, da § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG auf § 18a Abs. 10 UStG verweist. Allerdings enthält Art. 138 Abs. 1a MwStSystRL keine entsprechende zeitliche Begrenzung. Die dort genannten Art. 262264 MwStSystRL beschreiben nur, welche Informationen eine ZM enthalten muss und welche Meldezeiträume maßgeblich sind. Daher blieben Zweifel, ob eine Berichtigung nach Ablauf der Monatsfrist – entgegen der Auffassung des BMF – nicht doch eine Steuerbefreiung ermöglichen könnte.

 

Rz. 28a

Die Verwaltung[6] hat diesbezüglich ihre strenge Auffassung aufgegeben. Danach dient die in § 18a Abs. 10 UStG normierte Frist ausschließlich den Zwecken der Durchführung eines ordnungsgemäßen innergemeinschaftlichen Kontrollverfahrens sowie eines etwaigen Bußgeldverfahrens.[7] Die Verpflichtung zur Abgabe einer richtigen und vollständigen ZM für Zwecke der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG besteht auch über die in § 18a Abs. 10 UStG genannte Frist hinaus. Wird eine nicht fristgerecht abgegebene ZM erstmalig für den betreffenden Meldezeitraum richtig und vollständig abgegeben, liegen in diesem Zeitpunkt erstmals die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vor und diese ist bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen zu gewähren. Die erstmalige Abgabe einer ZM und die Berichtigung einer fehlerhaften ZM durch den Unternehmer innerhalb der Festsetzungsfrist entfalten für Zwecke der Steuerbefreiung (der innergemeinschaftlichen Lieferung) Rückwirkung. Die rückwirkende Gewährung der Steuerbefreiung im Veranlagungsverfahren schließt ein Bußgeldverfahren des BZSt nach § 26a Abs. 2 Nr. 5 UStG nicht aus. Somit kann eine ZM z. B. auch noch nach 6 oder 10 Wochen (oder sogar nach Ablauf eines Besteuerungszeitraums) korrigiert werden, ohne dass die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung grds. gefährdet ist. Auch nach erstmaliger Nichtabgabe einer ZM und späterer Nachholung der Meldung soll die Steuerbefreiung erhalten bleiben. Zur in diesem Zusammenhang klarstellend erfolgten Aufhebung von § 4 Nr. 1 Buchst. b. S. 2 UStG mWv 1.1.202...

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