1 Allgemeines

1.1 Entstehung und Entwicklung der Vorschrift; Verhältnis zum Unionsrecht

 

Rz. 1

Die durch Gesetz v. 25.8.1992[1] mWv 1.1.1993 neu in das UStG eingefügte Vorschrift des § 3c UStG i. d. F. bis zum 30.6.2021 beruhte auf Art. 28b Teil B der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 33 bis 35 MwStSystRL). Sie beinhaltete eine besondere, von § 3 Abs. 6 bis 8 UStG abweichende Bestimmung des Lieferorts in den Fällen, in denen der Lieferer Gegenstände in einen anderen Mitgliedstaat der EU versendet oder befördert und der Abnehmer einen innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1a UStG) nicht zu besteuern hat. Unter den Bedingungen des § 3c UStG a. F. wurde der Lieferort in das Bestimmungsland verlegt.

 

Rz. 2

Durch Gesetz v. 21.12.1993[2] erfolgte mWv 1.1.1994 eine redaktionelle Anpassung. In § 3c Abs. 1 S. 1 UStG und in § 3c Abs. 3 Nr. 1 UStG wurde der bisherige Verweis auf die Zollfreigebiete in § 1 Abs. 3 UStG durch einen Verweis auf die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete ersetzt.

 

Rz. 3

Durch Gesetz v. 22.12.1999[3] wurde § 3c Abs. 3 S. 1 UStG mWv 1.1.2000 dergestalt neu gefasst, dass die Ortsverlagerung an das Ende der Warenbewegung dann eintritt, sobald im laufenden Kj. die Lieferschwelle überschritten wird. Die bisherige Regelung, nach der die Ortsverlagerung in den Bestimmungsmitgliedstaat davon abhing, dass die maßgebliche Lieferschwelle im vorangegangenen oder voraussichtlich im laufenden Kj. überstiegen wird, stand nicht im Einklang mit Art. 28b Teil B Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie. Da die anderen Mitgliedstaaten sich insoweit exakt an die EG-rechtliche Regelung gehalten hatten, konnte es zu Doppelbesteuerungen bzw. Nichtbesteuerungen kommen.[4]

 

Rz. 4

Durch Gesetz v. 19.12.2000[5] wurde der Betrag der Lieferschwelle in § 3c Abs. 3 S. 2 Nr. 1 UStG i. d. F. bis zum 30.6.2021 mWv 1.1.2002 auf 100.000 EUR festgelegt.

 

Rz. 4a

Durch das Jahressteuergesetz 2020[6] wurde die ab dem 1.7.2021 geltende und inhaltlich völlig umgestaltete Fassung von § 3c UStG im Rahmen des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets als Regelung der Lieferung des innergemeinschaftlichen sowie drittlandbezogenen Fernverkaufs ausgestaltet (dazu ab Rz. 42ff.). Kern der Neuregelung ist insbesondere der Wegfall der bisherigen unterschiedlichen Lieferschwellen der einzelnen Mitgliedstaaten (dazu Rz. 41), die durch eine unionsweite Umsatzschwelle ersetzt wurde (dazu Rz. 67ff.).

 

Rz. 4b

Die Regelungen von § 3c UStG i. d. F. des Art. 14 des Jahressteuergesetzes 2020[7] sind erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 ausgeführt werden (§ 27 Abs. 34 S. 1 UStG). Für den Besteuerungszeitraum 2021 sind damit beide Gesetzesfassungen von § 3c UStG anwendbar. Darüber hinaus wird die Versandhandelsregelung von § 3c UStG i. d. F. bis zum 30.6.2021 vor dem Hintergrund nachgelagerter und auf die Besteuerungszeiträume bis einschließlich 2021 bezogener Außenprüfungen noch Bedeutung behalten.

[1] Art. 1 Nr. 6 des Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetzes (UStBG) v. 25.8.1992, BGBl I 1992, 1548.
[2] Art. 20 Nr. 25 des Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (StMBG) v. 21.12.1993, BGBl I 1993, 2310.
[3] Art. 9 Nr. 2 des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) v. 22.12.1999, BGBl I 1999, 2601.
[4] RegE StBereinG 1999, BT-Drs. 14/1655, Begr. zu Art. 8 Nr. 2; Rz. 27.
[5] Art. 14 Nr. 2 des Steuer-Euroglättungsgesetzes (StEuglG) v. 19.12.2000, BGBl I 2000, 1790.
[6] BGBl I 2020, 3096.
[7] BGBl I 2020, 3096.

1.2 Inhalt und Bedeutung der Vorschrift

1.2.1 Versandhandelsregelung bis zum 30.6.2021

 

Rz. 5

§ 3c UStG enthielt bis zum 30.6.2021 die sog. Versandhandelsregelung, die sich allerdings nicht nur – wie in den ursprünglichen Kommissionsentwürfen vorgesehen – auf typische Versandhandelsumsätze auf der Basis von Bestellungen im Rahmen des Katalogversands beschränkt. Die Vorschrift sah eine besondere, von den Regelungen in § 3 Abs. 6 bis 8 UStG abweichende, Bestimmung des Lieferorts für die Fälle vor, in denen der Lieferer Gegenstände in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet und der Abnehmer einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a UStG nicht zu versteuern hat. In diesen Fällen liegt der Ort der Lieferung grundsätzlich am Ende der Beförderung oder Versendung (Bestimmungsland); das bedeutet, dass der Lieferer dort die Steuer auf die Lieferung schuldet und den Erklärungs- und Zahlungspflichten im Bestimmungsland unterliegt (ggf. mit Pflicht zur Bestellung eines Fiskalvertreters). Somit wird auf technisch anderem Weg als durch die Erwerbsbesteuerung und die Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung für den innergemeinschaftlichen kommerziellen Handel mit § 3c UStG das Bestimmungslandprinzip für den innergemeinschaftlichen nicht kommerziellen Handel aufrechterhalten.[1]

 

Rz. 5a

Die bis zum 30.6.2021 geltende Fassung von § 3c UStG (Ort der Lieferung in besonderen Fällen, s.g. Versandhandelsregelung) lautete:

(1) Wird bei einer Lieferung der Gegenstand durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten Dritten aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebiete befördert oder versendet, so gilt d...

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