Rz. 300

§ 3a Abs. 4 UStG enthält eine detaillierte Regelung der Bestimmung des Leistungsorts bestimmter besonderer sonstiger Leistungen; sie beinhaltet seit dem 1.1.2015 insgesamt 11 Katalogtatbestände (Rz. 25), für die sich der Leistungsort an den Wohnsitz oder Sitz des Leistungsempfängers verlagert, unionsrechtlich beruht sie auf Art. 59 MwStSystRL (Rz. 310). Die Vorschrift ist – abweichend von der bis zum 31.12.2009 geltenden entsprechenden Regelung in § 3a Abs. 3 und 4 UStG a. F. – nur noch von beschränkter praktischer Bedeutung, weil sie gem. § 3a Abs. 4 S. 1 UStG nur (noch) zur Anwendung kommt, wenn der Empfänger der sonstigen Leistung weder ein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wurde, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person ist, der eine USt-IdNr. erteilt worden ist, er seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet hat und wenn einer der in § 3a Abs. 4 UStG genannten Katalogtatbestände vorliegt. Anders ausgedrückt kommt eine Bestimmung des Leistungsorts nach § 3a Abs. 4 UStG nur in Betracht, wenn der Leistungsempfänger ein Endverbraucher (Nichtunternehmer) ist – mithin unionsrechtlich gesprochen der "consumer" der B2C-Regelung – und wenn er in einem Drittland ansässig ist. In diesem Fall bedarf es der Prüfung des Leistungskatalogs des § 3a Abs. 4 UStG; nur wenn die gegenständliche sonstige Leistung dort nicht bestimmt ist, gilt die Grundregel des § 3a Abs. 1 UStG.[1] Die Bedeutung dser Regelung hat auch deshalb weiter abgenommen, weil die sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, die Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen an Endverbraucher seit dem 1.1.2015 in § 3a Abs. 5 UStG eine eigene Regelung erfahren haben (Rz. 25 und 455ff.).[2] Die Streichung der Tatbestände der Nrn. 11 bis 13 führte dazu, dass diese nunmehr als "Leerstellen" fortgeführt werden, weil die bisherige Nr. 14 bestehen blieb.

 

Rz. 301

Abgesehen von ihrer verringerten praktischen Bedeutung bleiben die einzelnen Tatbestände dem Grunde nach in ihrer Anwendung weiter kompliziert, weil sie eine Vielzahl von Abgrenzungsfragen aufwerfen. So ist für jede einzelne sonstige Leistung unter Heranziehung der unionsrechtlichen Vorgaben (Rz. 38 und Rz. 310) und der umfassenden Rechtsprechung zu prüfen, ob die den Katalogtatbeständen ähnlichen Leistungen unter die normierten Tatbestände fallen oder nicht. Zu beachten ist, dass der Katalog des "aktuellen" § 3a Abs. 4 UStG nur noch aus 11 Tatbeständen[3] besteht; dies findet seinen Grund darin, dass die in § 3a Abs. 4 Nr. 10 UStG a. F. genannten Vermittlungsleistungen an Nichtunternehmer in § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG aufgeführt sind.

 

Rz. 302

Hinzuweisen ist auch darauf, dass es für die Bestimmung des Leistungsorts u. U. auch nach der Neuregelung erforderlich werden kann, eine einheitliche Leistung "aufzuteilen" (Rz. 545ff.). Dies wird notwendig, wenn eine solche Leistung zugleich an mehrere Leistungsempfänger – welche alle nicht Unternehmer sind – erbracht wird, für die unterschiedliche Regelungen über den Leistungsort Anwendung finden.

 
Praxis-Beispiel

Der im Inland ansässige Rechtsanwalt R wird in einer Erbschaftsangelegenheit für den Schweizer Erben A und den französischen Erben B eines Erblassers tätig, er wurde dazu von beiden beauftragt. Hier ist fraglich, ob auf die nur einmal geschuldete Gebühr § 3a Abs. 3 und 4 Nr. 3 UStG (als Beratungsleistung an A mit Leistungsort in der Schweiz) oder § 3a Abs. 1 UStG (als Beratungsleistung an B mit Leistungsort in Deutschland) Anwendung findet.

Zur Lösung des Beispielfalls erscheint es richtig, davon auszugehen, dass solche Leistungen für die Zwecke der Umsatzbesteuerung nach den Leistungsempfängern aufzuteilen sind. M. E. dürfte das im Beispielsfall auch deshalb möglich sein, weil tatsächlich zwei Leistungsempfänger vorliegen, mit denen A auch von vorneherein hätte separate Beratungsverträge abschließen können.

 

Rz. 303

Voranzuschicken ist den nachfolgenden Ausführungen, dass viele der von der Rechtsprechung in der Vergangenheit entschiedenen Fälle unter der Neuregelung kaum noch vorkommen können, weil die Erbringung bestimmter Leistungen an im Drittlandsgebiet ansässige Nichtunternehmer in der Praxis kaum möglich ist; zumeist dürfte hier schon wegen des unternehmerischen Status des Leistungsempfängers zur Ortsbestimmung § 3a Abs. 2 UStG zur Anwendung kommen. Da bei der Leistungsortsbestimmung nach § 3a UStG allerdings immer über konkrete Einzelfälle zu entscheiden ist, sollen die Grundzüge der zur alten Rechtslage ergangen Entscheidungen nachfolgend weiter dargestellt werden.

 

Rz. 304

Eine spezielle Regelung findet sich in Abschn. 3a.8 Abs. 2a UStAE für den Fall der Ansässigkeit des Leistungsempfängers in verschiedenen Ländern:

Wird die sonstige Leistung an einen Nichtunternehmer (siehe Abschnitt 3a.1 Abs. 1) erbracht, der in verschiedenen Ländern ansässig ist oder seinen Wohnsitz in einem Land und seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem anderen...

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