Rz. 75

Gemäß § 3a Abs. 1 S. 1 UStG ist eine sonstige Leistung an einen Nichtunternehmer[1] an dem Ort zu versteuern, an dem der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Dabei ist unter dem Ort, von dem aus der Leistende sein Unternehmen betreibt, der Ort zu verstehen, von dem aus dieser Unternehmer seine gewerbliche Tätigkeit anbietet. Dies ist grundsätzlich der maßgebliche Ort für die Ausführung der sonstigen Leistung.[2] Vom Vorliegen dieser Voraussetzung ist auszugehen, wenn der Unternehmer dort Aufträge annimmt, seine Aufträge verwaltet, die Ausführung vorbereitet und an den die Zahlungen geleistet werden.[3] Das dürfte im Ergebnis regelmäßig der Ort der Geschäftsleitung i. S. d. § 10 AO sein; die Verwaltungsanweisung stellt hierzu allgemein gefasster auf den Ort ab, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden.[4]

 

Rz. 76

Dieser Ort der Geschäftsleitung entspricht unionsrechtlich dem Ort, "an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat" (Art. 44 S. 1 MwStSystRL). Hinzuweisen ist darauf, dass die gesetzlichen Vorgaben hier keine Wahl- oder Gestaltungsmöglichkeiten durch den leistenden Unternehmer zulassen[5]; wenn die Leistung z. B. vom Ort einer Betriebsstätte aus ausgeführt wird, dann muss dies auch der Bestimmung des umsatzsteuerlichen Leistungsorts zugrunde gelegt werden (Rz. 80ff.).

 

Rz. 77

Nach Art. 10 MwStVO gilt für die Bestimmung des Orts des steuerbaren Umsatzes unionsrechtlich einheitlich, dass derjenige Ort als Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit anzusehen ist, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden (Abs. 1). Zur Bestimmung des Orts, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, werden der Ort des satzungsmäßigen Sitzes und der Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt, herangezogen.[6] Kann anhand dieser Kriterien der Ort des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens nicht mit Sicherheit bestimmt werden, so wird der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen der allgemeinen Leistung des Unternehmens getroffen werden, zum vorrangigen Kriterium (Abs. 2).[7] Dabei kann allein aus dem Vorliegen einer Postanschrift nicht geschlossen werden, dass sich dort der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens befindet.[8] Aus dem genannten Inhalt des UStAE ist deutlich erkennbar, dass die Vorgaben der MwStVO unverändert in die deutsche Verwaltungsanweisung eingeflossen sind.

 

Rz. 78

Für das Umsatzsteuerrecht ist im Übrigen nicht die formale Festlegung eines bestimmten Orts – wie z. B. einer Postanschrift – von Bedeutung, sondern der Ort der tatsächlichen Leistungserbringung. Der Ort der Leistung lässt sich deshalb auch nicht lediglich durch einen Vertrag, eine Satzung oder einen Gesellschafterbeschluss ohne die Verlegung der tatsächlichen Leistungserbringung verändern, genauso wenig wie hier etwa die Verlagerung des Servers eines Unternehmens in das Ausland ausreicht.[9] Falls der Ort der Leistung dennoch zweifelhaft bleiben sollte, dann kann der Ort[10] hilfsweise nach dem Wohnsitz oder dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Unternehmers bestimmt werden.

 

Rz. 79

Der Bestimmung des Orts der Geschäftsleitung als Leistungsort kommt im Unionsgebiet deshalb erhebliche Bedeutung zu, weil sich durch eine "Gestaltung" u. U. Einfluss auf die individuelle Steuerbelastung sowie auch auf die Umsatzsteueraufkommen der Mitgliedstaaten nehmen lässt, insbesondere wenn hier gezielt Länder mit einem niedrigen Steuersatz als (vermeintlichen) Leistungsort eingeschaltet werden. Als anschauliches Beispiel dafür war die massenweise Erbringung digitaler Dienstleistungen (wie E-books) an Nichtunternehmer im gesamten Unionsgebiet aus Luxemburg bis zum 31.12.2009 – seitdem gilt hier eine Sonderregelung[11]- zu nennen, weil dieser Mitgliedstaat den niedrigsten Regelsteuersatz in der EU hatte. Dass die Freiheit der unternehmerischen Entscheidungen aber gerade für größere Unternehmen weiterhin bestimmte Gestaltungsmöglichkeiten offenlässt, dürfte m. E. unvermeidbar sein.

[1] Der Gesetzeswortlaut verwendet diesen Begriff hier nicht (.. vorbehaltlich der Abs. 2 bis 8 und der §§ 3b und 3e...).
[5] I.d.S. auch Radeisen, in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3a UStG Rz. 146.
[8] Abs. 3; i. d. S. auch Abschn. 3a.1 Abs. 1 S. 6 UStAE; vgl. auch Radeisen, in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3a UStG Rz. 151 und Kossack, in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3a UStG Rz. 13.
[9] I. d. S. auch Kossack, in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3a UStG Rz. 18.

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