Rz. 26

§ 3a UStG regelt den Ort der Leistung für die sonstigen Leistungen abweichend von dem der Lieferungen[1], die unionsrechtlichen Vorgaben sprechen hier begrifflich – m. E. klarer – schlicht von Dienstleistungen[2], meinen aber inhaltlich dasselbe. Der wesentliche Zweck der Regelung besteht in der Festlegung der Steuerbarkeit von sonstigen Leistungen im Inland, in anderen Mitgliedstaaten oder im Drittland. Allgemein gilt, dass in Deutschland nur diejenigen grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen steuerbar sind, deren Leistungsort sich im Inland befindet; die Leistungsortsregelung ist also der Ansatz der Steuerbarkeit einer Leistung. Bedeutung kommt einer solchen "Ortsregelung" nur bei grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen zu; es ist eben weiterhin – auch im umsatzsteuerlichen Binnenmarkt in der Europäischen Union – für die Umsatzbesteuerung nicht gleich, ob eine sonstige Leistung von München aus an einen Leistungsempfänger z. B. in Köln oder in Paris ausgeführt wird. Unbedingt zu beachten ist, dass § 3a UStG nicht nur für sonstige Leistungen in das Gebiet der Europäischen Union hinein gilt, sondern auch für die Erbringung sonstiger Leistungen in Drittstaaten. § 3a UStG sieht allerdings einige Sonderregelungen für sonstige Leistungen an Abnehmer (Unternehmer oder Nichtunternehmer) innerhalb der Europäischen Union (in andere Mitgliedstaaten) vor.

 

Rz. 27

Der erste Schritt jeder inhaltlichen Prüfung der Anwendung des § 3a UStG besteht immer in der Frage, ob die gegenständliche Leistung tatsächlich eine sonstige Leistung darstellt oder ob es sich um eine Lieferung handelt. Im deutschen Recht findet sich die Legaldefinition der "sonstigen Leistungen" allerdings nicht in § 3a UStG, sondern in § 3 Abs. 9 UStG[3]; zusätzlich ist in § 3 Abs. 9a der "Verwendungseigenverbrauch" geregelt und in Abs. 10 bis 12 finden sich Vorschriften zu weiteren Besonderheiten. I. S. einer Art Ausschlussregel sind nach § 3a Abs. 9 S. 1 UStG sonstige Leistungen alle Leistungen, die keine Lieferungen sind.[4] Festzuhalten bleibt deshalb, dass § 3a UStG keine einheitliche umfassende Regelung der sonstigen Leistungen zum Inhalt hat. Insbesondere ist, bevor über den Ort einer sonstigen Leistung entschieden werden kann, der Inhalt der Leistung daraufhin zu prüfen, ob es sich nicht um eine Lieferung handelt.[5] Zwingend ist diese Aufteilung der Regelung auf verschiedene Vorschriften nicht, sie weist eher auf die Beibehaltung eines zuvor bestehenden Regelungsinhalts des ursprünglichen § 3 UStG hin. Dagegen findet sich z. B. im österreichischen Gesetz die gesamte Regelung der sonstigen Leistung im (österreichischen) § 3a UStG.

 

Rz. 28

Tatsächlich hat die Vorschrift des § 3a UStG einen Kernbestandteil des "internationalen Steuerrechts" im Umsatzsteuerrecht zum Inhalt, soweit es um sonstige Leistungen geht. Zweck der Regelung des Leistungsorts ist nämlich, die Steuerbarkeit einer Leistung entweder im Inland, in anderen Mitgliedstaaten oder im Drittlandsgebiet zu bestimmen; es geht also darum festzustellen, welcher Staat konkret das Besteuerungsrecht einer sonstigen Leistung hat. Dabei soll im Gebiet der Europäischen Union u. a.[6] durch die Umkehr der Steuerschuldnerschaft, dem "reverse-charge" – also der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers –, bei Leistungen an Unternehmer eine lückenlose Besteuerung sichergestellt werden. Bei einer einheitlichen Übernahme der Regelungen der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie in allen Mitgliedstaaten – wovon auszugehen ist –, sollte dadurch eine Doppel- oder Nichtbesteuerung vermieden werden.[7] Da die MwStSystRL aber nicht jede Besonderheit regelt und regeln kann, sind die nationalen Bestimmungen des Leistungsorts bei sonstigen Leistungen (insbesondere die Verwaltungsregelungen) in den Mitgliedstaaten leider nicht durchgängig einheitlich umgesetzt worden, deshalb kann es in Einzelfällen durchaus zu Doppel- oder Nichtbesteuerungen kommen[8]; bei Leistungsbeziehungen zu Drittstaaten ist diese Gefahr noch höher.

 

Rz. 29

Die Festlegung des Leistungsorts hat für den wachsenden grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union und in Drittländer erhebliche praktische Bedeutung. Dabei konnte die Feststellung nach der bis zum 31.12.2009 geltenden Regelung mitunter erhebliche Schwierigkeiten bereiten, weil zu einem großen Teil auf die Art der ausgeführten Leistung abzustellen war, was unschwer aus dem Umfang der Rechtsprechung zum alten § 3a Abs. 4 UStG erkennbar war (Rz. 300ff.). Für Lieferungen ist die Bestimmung des Leistungsorts in § 3 Abs. 6 bis 8 UStG dagegen völlig anders geregelt, was Auswirkungen auf die Bedeutung der Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung für alle Leistungen mit Auslandsbezug hat. Insbesondere bei Werklieferungen, die den Lieferungen zuzuordnen sind, und bei Werkleistungen, die den sonstigen Leistungen zuzuordnen sind, ist daher die exakte Abgrenzung wichtig. Dies gilt auch im Hinblick auf die Frage der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens.

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