Rz. 52

Der Ort der Umsätze gem. § 3 Abs. 9a UStG lag gem. § 3f UStG i. d. F. vor dem 13.12.2019 an dem Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt.[1] Wird die Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, galt die Betriebsstätte als Ort der Leistung. § 3f UStG hat keine eindeutige EU-rechtliche Grundlage, sodass nicht sicher ist, ob die durch § 3f UStG geregelte territoriale Steuerbarkeit das Steuersubstrat dem richtigen Fiskus zuweist.

 

Rz. 52a

§ 3f UStG hatte keine unionsrechtliche Grundlage und war deshalb seit seiner Schaffung zum 1.4.1999 umstritten. Deshalb wurde er durch Art. 11 i. V. m. Art. 39 Abs. 1 des Gesetzes vom 12.12.2019[2] mWv 13.12.2019 ersatzlos aufgehoben. Seither gelten die Vorschriften zum Ort entgeltlicher sonstiger Leistungen ohne Einschränkung auch für die den entgeltlichen Leistungen gleichgestellten unentgeltlichen Wertabgaben gem. § 3 Abs. 9a UStG.

 

Rz. 52b

Das FG des Saarlandes hat dem EuGH mit Beschluss v. 18.3.2019[3] die Frage vorgelegt, ob es sich bei der Fahrzeugüberlassung ohne besonders berechnetes Entgelt durch einen Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer um einen entgeltlichen oder einen unentgeltlichen Umsatz handelt. Damit ist zugleich die Frage aufgeworfen, wo sich der Ort dieses Umsatzes befindet. Dazu muss zuerst entschieden werden, ob eine einer entgeltlichen Fahrzeugvermietung gleichgestellte Überlassung vorliegt – dann greift § 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG, d. h. der Ort liegt am Wohnsitz des Arbeitnehmers – oder ob es sich um eine Leistung gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG (Überlassung eines vom Unternehmer mit Vorsteuerabzug erworbenen Fahrzeugs) oder gem. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG (Überlassung eines gemieteten oder geleasten Fahrzeugs) handelt, dann liegt der Ort am Sitz des Arbeitgebers.

 

Rz. 52c

Das FG des Saarlandes will – abweichend von der Verwaltungsauffassung in Abschn. 15.23 Abs. 8 und 9 UStAE und dem BFH-Urteil vom 5.6.2014[4] – in der Fahrzeugüberlassung keine langfristige Vermietung sehen, für die die anteilige Arbeitsleistung das Entgelt ist. Stattdessen favorisiert das FG unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil vom 18.7.2013[5] die Vorstellung, dass keine entgeltliche Leistung vorliegt und es sich auch nicht um eine fiktive Vermietung von Beförderungsmitteln handelt. Dann wäre § 3 Abs. 9a UStG einschlägig.[6]

 

Rz. 52d

Der EuGH im Urteil v. 20.1.2021[7] ist dem FG Saarbrücken nicht gefolgt und hat entschieden, dass es darauf ankommt, ob die Fahrzeugüberlassung eine Dienstleistung gegen Entgelt i. S. v. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c i. V. m. Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL darstellt. Das bejaht der EuGH – nicht überraschend –, wenn der Arbeitnehmer einen Mietzins für die vereinbarte Dauer von mehr als 30 Tagen bezahlt und dafür das Recht erhält, das Fahrzeug auch für private Zwecke zu benutzen und andere davon auszuschließen. Das bedeutet aber auch, dass die kostenfreie Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes kein einer Dienstleistung gegen Entgelt gem. Art. 26 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL gleichgestellter Umsatz sein kann.

 

Rz. 53

Fehlt es an einer Dienstleistung gegen Entgelt, kommt es auf die Frage des Orts der Leistung nicht an. Anders ist es bei gem. § 3 Abs. 9a UStG steuerbaren Vorgängen.

 
Praxis-Beispiel

Der selbstständige Rechtsanwalt R in Freiburg hat ein Ferienhaus in der Toskana, das er an Dritte vermietet. Drei Wochen im Jahr macht er selbst Urlaub in diesem Haus.

Die Selbstnutzung ist eine Dienstleistungsentnahme gem. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG; die Steuerpflicht ergibt sich aus der Nichtanwendbarkeit der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 12 UStG für die Selbstnutzung[8]; für zur kurzfristigen Vermietung vorgehaltene Räume zur Beherbergung von Fremden gilt sie nicht. Fraglich ist hier der Ort der Leistung. Da § 3f UStG keinen Bezug auf die Ortsbestimmungen für sonstige Leistungen gem. § 3a ff. UStG nahm, also auch die Belegenheitsortregelung für grundstücksbezogene Umsätze gem. § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG nicht kannte, kam man mit diesen Regelungen nicht weiter. Hier war die Betriebsstättenregelung des § 3f UStG einschlägig, d. h., die Selbstnutzung wurde durch das als Betriebsstätte anzusehende Ferienhaus ermöglicht. Damit lag der Ort der Leistung in Italien. Diese Lösung ergibt sich nun seit dem 13.12.2019 (Zeitpunkt der Aufhebung von § 3f UStG) unmittelbar aus dem Belegenheitsprinzip des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG.

 

Rz. 54

Fährt der Rechtsanwalt in unserem Beispiel mit seinem unternehmerischen Pkw in den Urlaub nach Italien, dann liegt der Ort für diese steuerpflichtige Verwendung des Pkw für private Zwecke insgesamt in Freiburg, d. h. ohne Rücksicht darauf, ob und wie lange das Fahrzeug bei dieser Reise in Deutschland oder in Italien und auf dem Weg dorthin z. B. in der Schweiz, in Frankreich oder in Österreich tatsächlich eingesetzt wurde.

[1] Für die unentgeltlichen Wertabgaben gem. § 3 Abs. 1b UStG galt gleichfalls die Ortsbestimmung gem. § 3f UStG; Abschn. 3f.1 UStAE.
[2] Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weit...

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