Rz. 53

Üben Personen oder Zusammenschlüsse Tätigkeiten aus und ist es strittig, ob diese Tätigkeit zu einem steuerbaren Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG führt, wird in aller Regel eher die Frage der Unternehmereigenschaft (selbstständig; mit Einnahmeerzielungsabsicht, nachhaltige Tätigkeit) oder die Verknüpfung mit einer konkreten Gegenleistung (Leistungsaustausch) Gegenstand des Streits sein. Die Frage, ob es sich überhaupt um eine sonstige Leistung i. S. d. § 3 Abs. 9 UStG handelt, ist dagegen eher selten Gegenstand des Streits.

 

Rz. 54

Abgeordnete in den Parlamenten des Bundes und der Länder

Nach dem sog. Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts[1] üben Abgeordnete kein Ehrenamt aus. Sie schulden keiner bestimmten Person oder Personengruppe Dienste, sondern nehmen ihre Mandate unabhängig wahr. Die normale Tätigkeit eines Abgeordneten stellt ihrem Wesen nach kein Leisten im wirtschaftlichen Sinn dar und ist deshalb nicht als sonstige Leistung zu beurteilen. Die Abgeordnetenbezüge stellen kein Leistungsentgelt dar, sie sollen den Abgeordneten lediglich in den Stand versetzen, sein Mandat in Freiheit und Unabhängigkeit ausüben zu können.

 

Rz. 55

Landwirtschaft – Nutzungseinschränkungen

Ausgleichszahlungen, die ein Landwirt nach landesrechtlichen Regelungen erhält, weil er sich freiwillig zu Nutzungseinschränkungen zum Zweck des Trinkwasserschutzes verpflichtet hat, unterliegen nicht der USt, da der Landwirt insoweit keine (sonstige) Leistung ausführt. Es ist nicht erkennbar, dass dem die Zahlung leistenden Land eine Leistung im wirtschaftlichen Sinn erbracht wird, die zu einem Verbrauch und damit zu einem steuerbaren Vorgang i. S. d. Umsatzsteuerrechts führen könnte.[2]

 

Rz. 56

Leihe

Leihe ist nach § 598 BGB Überlassung eines Gegenstands zum Gebrauch. Sie stellt zwar eine sonstige Leistung dar; da diese aber unentgeltlich erfolgt, scheidet sie als steuerbarer Umsatz aus.[3]

 

Rz. 57

Provisionsüberlassung an Kunden

Wirbt ein Agent um Kunden mit dem Versprechen, er werde zum Zweck der Preisermäßigung dem Kunden bei Abschluss eines Kauf- oder Dienstleistungsvertrags einen Teil seiner verdienten Provision zuwenden, bildet die Annahme des vom Agenten im Auftrag des leistenden Unternehmersunterbreiteten Vertragsangebots durch den Leistungsempfänger keine von diesem gegenüber dem Agenten erbrachte sonstige entgeltliche Leistung mit einer Gegenleistung in Form des zugewendeten Provisionsanteils.[4] Vielmehr wendet der Agent dem Leistungsempfänger einen Teil seiner Verkaufsprovision zu. Dies wurde früher als Entgeltsminderung für die ausgeführte Leistung des Agenten angesehen.[5] Der EuGH[6] hatte allerdings festgestellt, dass es nicht zu einer Entgeltsminderung kommt, wenn ein Reisebüro als Vermittler dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten einen Nachlass auf den Preis der vermittelten Leistung gewährt, die von dem Reiseveranstalter erbracht wird. Eine Minderung der Bemessungsgrundlage liegt nicht vor, wenn lediglich ein Vermittler dem Empfänger des von ihm vermittelten Umsatzes einen Teil des Preises für den vermittelten Umsatz vergütet.

 

Rz. 58

Schuldübernahme

Im Allgemeinen ist die Schuldübernahme (Übernahme von Schulden aller Art, z. B. Geschäftsschulden, Bankschulden, Hypothekenschulden) nicht als sonstige Leistung anzusehen. Zwar belastet der Unternehmer durch die Übernahme einer Schuld sein Vermögen und wendet dem Erstschuldner durch dessen Befreiung von der Schuld einen Vermögensvorteil zu. Trotzdem wird man bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Schuldübernahme ebenso wenig wie die Geldzahlung als eine dem Gesamtumsatz zuzurechnende Leistung des Unternehmers ansehen können. Ob jemand eine gekaufte Ware bezahlt oder stattdessen eine Schuld des Verkäufers übernimmt, macht wirtschaftlich gesehen keinen Unterschied aus.

Deshalb wird die Schuldübernahme nur in Ausnahmefällen eine sonstige Leistung darstellen (Rz. 45).

 

Rz. 59

Die Übernahme von Schulden im Rahmen der Übertragung eines Versicherungsbestands in seiner Gesamtheit oder in einzelnen Zweigen mit seinen Rücklagen und Entgeltüberträgen (Prämienüberträgen) stellt keine Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinn dar, sondern ist Entgeltsentrichtung. Bei einer Schuldübernahme im Rahmen einer Bestandsübertragung nach § 13 Versicherungsaufsichtsgesetz verfolgt der die Schuld Übernehmende kein eigenes, über die reine Entgeltsentrichtung hinausgehendes wirtschaftliches Ziel.[7]

 

Rz. 60

Bei der Übernahme von Pensionsverpflichtungen im Rahmen der Veräußerung eines Geschäfts im Ganzen fehlt es an einer Leistung im wirtschaftlichen Sinn. Selbst wenn besondere Ziele und Interessen bestünden, würden diese vom Gesamtziel und -interesse der Geschäftsveräußerung im Ganzen überlagert.[8]

 

Rz. 61

Unterhaltung von Giro-, Bauspar- und Sparkonten

Nach der Verkehrsanschauung stellt die Unterhaltung von Giro-, Bauspar- und Sparkonten keine Leistung im wirtschaftlichen Sinn dar; der Inhaber eines derartigen Kontos verfolgt insoweit kein wirtschaftliches Ziel und erbringt des...

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