2.3.1 Allgemeines

 

Rz. 13

In folgenden Fällen fällt die Lieferung mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) zusammen:

Die Verfügungsmacht wird in derartigen Fällen im Zeitpunkt der Erlangung der tatsächlichen Herrschaftsgewalt über den Gegenstand verschafft. Bei einem Grundstück erlangt der Erwerber zivilrechtliches Eigentum im Zeitpunkt der Eintragung im Grundbuch. Die Verfügungsmacht erlangt der Käufer i. d. R. jedoch schon zu einem früheren Zeitpunkt, z. B. mit Übergabe des Grundstücks durch den Verkäufer und volle Nutzungsüberlassung (§ 3 Abs. 1 UStG Rz. 170f.). Andererseits wird die Lieferung eines Grundstücks trotz Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch solange nicht bewirkt, als die Pflicht des Verkäufers zur Übergabe des verkauften Grundstücks aufgeschoben ist und der Verkäufer die volle tatsächliche Herrschaft über das Grundstück behält.[2]

Ob die Ortsbestimmung nach § 3 Abs. 6 oder Abs. 7 UStG zu treffen ist, hängt davon ab, ob der Liefergegenstand befördert oder versendet wird. Grundstückslieferungen werden deshalb als nicht bewegte Lieferungen stets nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG beurteilt. Gleiches dürfte für die Mehrzahl der Lieferungen von Sicherungsgut gelten, da dieses i. d. R. beim Sicherungsgeber verbleibt und nicht befördert oder versendet wird.

2.3.2 Werklieferungen in der Bauwirtschaft

 

Rz. 14

Bei Werklieferungen im Baugewerbe (z. B. bei der Erstellung eines Gebäudes auf dem Grundstück des Auftraggebers) wird es sich im Allgemeinen um nicht bewegte Lieferungen handeln, deren Ort nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG zu bestimmen ist. Insoweit ist entscheidend, ob der fertigerstellte Liefergegenstand selbst (also z. B. das Gebäude) befördert oder versendet wird. Die Beförderung des Baumaterials zur Baustelle ist unbeachtlich, da die Materialtransporte ausgeführt werden, bevor der Liefergegenstand erstellt ist.

 

Rz. 15

Für die Bestimmung von Lieferort und -zeitpunkt ist bei Werklieferungen maßgebend, wann der Unternehmer dem Auftraggeber Verfügungsmacht am fertigen Werk verschafft hat. Zur Ermittlung dieses Zeitpunkts kann auf die Regelungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen[1] zurückgegriffen werden. Danach kann Verfügungsmacht am fertigen Werk verschafft werden durch:

  1. förmliche Abnahme[2],
  2. schriftliche Mitteilung über die Fertigstellung des Werks, wobei die Abnahme mit Ablauf von 12 Werktagen nach dieser Mitteilung als erfolgt gilt[3],
  3. Beginn der bestimmungsgemäßen Nutzung, wobei die Abnahme nach Ablauf von 6 Werktagen nach Beginn der Nutzung als erfolgt gilt, z. B. nach Bezug eines Hauses[4], oder
  4. durch konkludentes Handeln (z. B. vorbehaltlose Schlusszahlung durch den Auftraggeber), wodurch gleichfalls eine wirtschaftliche Abnahme gegeben ist.
 

Rz. 16

Die unter a) bis c) genannte Abnahme betrifft das der Lieferung zugrunde liegende Schuldverhältnis; diese Abnahme ist keine Voraussetzung für die umsatzsteuerliche Annahme der Ausführung der Werklieferung. Die umsatzsteuerliche Werklieferung ist ausgeführt, sobald die Verschaffung der Verfügungsmacht erfolgt ist; dabei ist zu beachten, dass diese kein rechtlicher, sondern ein tatsächlicher Vorgang ist. Das gilt auch dann, wenn die förmliche Abnahme vertraglich vereinbart und eine Abnahme durch Ingebrauchnahme ausdrücklich ausgeschlossen ist.[5]. Verweigert der Abnehmer die förmliche Abnahme des Liefergegenstands, nachdem die Verfügungsmacht bereits auf ihn übergegangen ist, so hat dies umsatzsteuerrechtlich keine Bedeutung; außer wenn die Lieferung (z. B. aufgrund eines Rücktritts vom Kaufvertrag nach § 323 BGB, ggf. nach § 437 Nr. 2 BGB) rückabgewickelt wird. Fehlende Restarbeiten oder Nachbesserungen schließen eine wirksame Abnahme nicht aus, wenn das Werk ohne diese Arbeiten seinen bestimmungsgemäßen Zwecken dienen kann.[6]

 

Rz. 17

Wird ein (nach Ansicht des Bauunternehmers) fertiges Werk vom Bauherrn nicht vollständig abgenommen und ist der beanstandete Teil von erheblichem Umfang, ist zu prüfen, ob der Vertragsgegenstand vollständig geliefert worden ist.

 
Praxis-Beispiel

Ein Bauherr hat im November 01 mit einem Bauunternehmer einen Vertrag über die schlüsselfertige Lieferung eines Einfamilienhauses mit freistehender Garage geschlossen. Wegen gravierender Mängel verweigert der Bauherr im Februar 02 die Abnahme der Garage und nimmt nur das Haus in Nutzung. Die Garage wird erst Ende August 02 nach Mängelbeseitigung abgenommen und benutzt.

Es liegen zwei Lieferungen vor:

  1. die Lieferung des Einfamilienhauses und
  2. die Lieferung der Garage.

Ob es sich dabei um selbstständige Lieferungen oder Teillieferungen im Rahmen eines Werkvertrags handelt, ist unerhebl...

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