Rz. 33

Nach der Verkehrsauffassung ist ein Konsignationslager ein Warenlager, das ein liefernder Unternehmer (Konsignant) bei einem Abnehmer (Konsignatar) unterhält und aus dem der Abnehmer bei Bedarf Waren entnehmen kann.[1] Ein Konsignationslager kann für mehrere Abnehmer des liefernden Unternehmers oder für ausschließlich einen Abnehmer (sog. call off stock) des liefernden Unternehmers unterhalten werden.[2] Ein Auslieferungslager liegt vor, wenn ein Lager vom liefernden Unternehmer oder in seinem Auftrag von einem Dritten unterhalten wird.[3]

Für die Beförderung oder Versendung eines Gegenstandes aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates für Zwecke einer Lieferung des Gegenstandes nach dem Ende dieser Beförderung oder Versendung an einen Erwerber enthält § 6b UStG (Konsignationslagerregelung) eine eigene Regelung, die auf alle Fälle nach dem 31.12.2020 anzuwenden ist.[4]

 

Rz. 33a

Bis zur Entnahme der Ware aus dem Konsignations- oder Auslieferungslager bleibt der liefernde Unternehmer zivilrechtlich Eigentümer. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, in welchem Zeitpunkt die Verfügungsmacht nach § 3 Abs. 1 UStG für den Abnehmer verschafft und dadurch eine steuerbare Lieferung verwirklicht wird. Da die steuerbare Lieferung einen Abnehmer voraussetzt (Rz. 9a), liegt diese nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur dann vor, wenn der Abnehmer beim Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich feststand (vgl. Rz. 9a).[5] Liefert ein Unternehmer Waren aus dem Drittland oder dem Gemeinschaftsgebiet in ein von ihm in Deutschland unterhaltenes Konsignationslager und steht der Abnehmer bei Beginn der Warenbewegung verbindlich fest, liegt eine Beförderungs- bzw. Versendungslieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG vor. Ort und Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht werden auf den Beginn der Beförderung oder Versendung und somit in das Drittland oder übrige Gemeinschaftsgebiet verlagert. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Ansicht angeschlossen (zur früheren abweichenden Verwaltungsansicht Rz. 33e).[6]

 

Rz. 33b

Von einem bei Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich feststehenden Abnehmer ist auszugehen, wenn der Leistungsempfänger die Ware bei Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hat.[7] Unter der verbindlichen Bestellung ist in diesem Zusammenhang ein verbindlicher Kaufvertrag über die Ware zu verstehen. Ein bloßer Rahmenvertrag ohne verbindliche kaufvertragliche Bestellung erfüllt diese Voraussetzungen dagegen nicht.[8] Von einem feststehenden Abnehmer ist auch dann auszugehen, wenn er zwar dem mit der Versendung Beauftragten im Zeitpunkt der Übergabe des Gegenstands nicht bekannt ist, aber mit hinreichender Sicherheit leicht und einwandfrei aus den unstreitigen Umständen, insbesondere aus Unterlagen abgeleitet werden kann.[9] Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, wenn die Ware zunächst in ein inländisches Lager des Lieferanten (Auslieferungslager) gebracht und erst nach Zahlung durch eine Freigabeerklärung an den Abnehmer herausgegeben wird.[10]

 

Rz. 33c

Gleiches gilt für die kurzzeitige Zwischenlagerung in einem Auslieferungs- oder Konsignationslager, wenn der Abnehmer vertraglich ein uneingeschränktes Zugriffsrecht auf die Ware hat. Ein nur wahrscheinlicher Abnehmer ohne tatsächliche Abnahmeverpflichtung ist einem feststehenden Abnehmer dagegen nicht gleichzustellen.[11] In diesem Zusammenhang ist nach der Rechtsprechung unklar, welchen (längsten) Zeitraum eine kurzzeitige Zwischenlagerung umfassen kann. Nach Auffassung der Finanzverwaltung könnten es jedenfalls "einige Tage oder Wochen" sein.[12] In der Literatur werden unterschiedliche Ansichten zur Dauer einer kurzzeitigen Zwischenlagerung vertreten.[13] Zutreffend dürfte die Annahme sein, dass ein verallgemeinerungsfähiger konkreter Zeitraum nicht ermittelbar ist, sondern von den branchenspezifischen Vorlaufzeiten abhängig ist.[14]

Für die Beförderung oder Versendung eines Gegenstandes aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates für Zwecke einer Lieferung des Gegenstandes nach dem Ende dieser Beförderung oder Versendung an einen Erwerber gelten die Regelungen des § 6b UStG (Konsignationslagerregelung).

 

Rz. 33d

Steht hingegen bei Beginn der Beförderung oder Versendung noch nicht verbindlich fest, an wen die Ware geliefert wird, sind die Voraussetzungen von § 3 Abs. 6 S. 1 UStG nicht erfüllt (Rz. 9a). Die Verschaffung der Verfügungsmacht erfolgt dann erst im Zeitpunkt der Warenentnahme aus dem Konsignationslager. Dadurch verwirklicht der Lieferant nach § 3 Abs. 6 UStG eine am Ort des Konsignationslagers steuerbare und steuerpflichtige Lieferung.

 

Rz. 33e

Nach früherer Auffassung der Finanzverwaltung läge in allen Fällen von Konsignationslagern ein innergemeinschaftliches Verbringen in das inländische Lager durch den Lieferanten (erste Lieferung) und eine anschließende inländische (zweite) Lieferung an d...

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