Rz. 9

Zwei Grundprinzipien des Umsatzsteuerrechts sind bei der Entscheidung, ob eine Werklieferung oder eine Werkleistung vorliegt, zu beachten: das Prinzip der Einheitlichkeit der Leistung und die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenleistung.

 

Rz. 10

Eine Werkleistung ist insbesondere gegeben, wenn der Unternehmer bei der Werkherstellung eines Gegenstands keinerlei eigene, d. h. selbst beschaffte Stoffe dazutut, sondern nur sein Handwerkszeug verwendet; desgleichen, wenn er zwar eigene Stoffe verwendet, es sich dabei aber nur um Nebensachen oder Zutaten handelt; diese gehen für die umsatzsteuerliche Betrachtung in der Werkleistung unter. Auch der Sonderfall der Leistung beim sog. Umtauschgewerbe, der unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 10 UStG als Werkleistung gilt, gehört hierher (§ 3 Abs. 10 UStG Rz. 1ff.).

 

Rz. 11

Für die Abgrenzung einer Lieferung (Werklieferung) von der Werkleistung kommt es darauf an, ob die bei der Be- oder Verarbeitung verwendeten Gegenstände des Leistenden lediglich "Zutaten" und "sonstige Nebensachen" sind (sonstige Leistung) oder nicht (Lieferung). Bei richtlinienkonformer Auslegung sind unter "Zutaten" und "sonstige Nebensachen" Lieferungen zu verstehen, die bei einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nicht das Wesen des Umsatzes bestimmen.[1] Damit weicht der BFH von seinen früheren Grundsätzen zur Abgrenzung der Werklieferung von der Werkleistung ab; so hatte der BFH früher noch auf die Gegebenheiten des einzelnen Falls abgestellt und für eine Berücksichtigung des Willens der Beteiligten oder der Verkehrsauffassung nur Raum gesehen, soweit Zweifel über die Bedeutung eines Teilstücks oder über den vom Unternehmer beschafften Stoff bestanden.[2] Auch war er der Ansicht, Nebenstoffe lägen nur vor, wenn sie der Menge und dem Wert nach gegenüber dem auszubessernden Gegenstand bzw. Teilstück nur geringfügig seien. Ohne dass er dies ausdrücklich festgestellt hat, hat der BFH diese frühere Rechtsprechung aufgegeben. Insoweit ergibt sich bei der Beurteilung von Zweifeln aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht ein anderes Ergebnis als aus bürgerlich-rechtlicher Sicht, denn der BGH stellt für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag auf den im Vertrag zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien ab.[3]

 

Rz. 12

Der BFH weist in seiner zu § 3 Abs. 4 S. 1 UStG 1993 ergangenen Entscheidung[4] auch darauf hin, dass die Regelung keine Parallele in der (seinerzeit maßgeblichen) 6. EG-Richtlinie findet; daran hat sich seit Inkrafttreten der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie nichts geändert. Im Urteilsfall greift der BFH zur Definition der "Lieferung eines Gegenstands" deshalb auf Art. 5 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie[5] zurück, wonach es auf die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, ankommt. Um festzustellen, ob bei einer einheitlichen Leistung, die sowohl Lieferungselemente als auch Elemente sonstiger Leistungen aufweist, der Umsatz als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung (sonstige Leistung) zu beurteilen ist, muss im Rahmen einer Gesamtbetrachtung das Wesen des Vorgangs ermittelt werden; maßgebend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers. Der BFH verweist in diesem Zusammenhang auf

  • EuGH v. 25.2.1999[6] betr. die Frage, ob im Rahmen einer Gruppenversicherung erbrachte Umsätze selbstständige Leistungen – eine steuerfreie Versicherungsleistung und eine steuerpflichtige Kartenregistrierungsleistung – darstellen oder ob eine dieser beiden Leistungen die Hauptleistung, die andere aber die Nebenleistung darstellt, sodass die Letztere das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt,
  • EuGH v. 17.5.2001[7] wonach Arbeiten an einem Pkw, für die zusätzlich kleinere Lieferungen von Gegenständen notwendig sind, insgesamt als sonstige Leistungen (Dienstleistungen) zu beurteilen sind;
  • die BFH-Urteile

    • v. 9.10.2002[8], wonach die Einsaat von Getreide aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht aus zwei Leistungen besteht, nämlich einerseits aus der Lieferung des Getreides und andererseits aus der Einsaat als sonstige Leistung,
    • v. 21.6.2001[9], wonach Grabpflegeleistungen als sonstige Leistungen zu beurteilen sind, bei denen ausgeführte Lieferungen von Pflanzen umsatzsteuerrechtlich regelmäßig keine selbstständige Bedeutung haben,
    • v. 30.9.1999[10], wonach die Abgabe von Motoröl im Rahmen einer Inspektion eines Kfz aufgrund der dabei erforderlichen Gesamtbetrachtung als Teil einer einheitlichen sonstigen Leistung zu beurteilen ist, sowie
    • v. 23.10.1997[11], wonach eine kieferorthopädische Behandlung von der Dienstleistung des Kieferorthopäden geprägt wird. Werden dabei kieferorthopädische Apparate eingesetzt, ist deren Überlassung Teil der sonstigen (Heilbehandlungs-)Leistung, wenn die Apparate für die Behandlung unentbehrlich sind.
 

Rz. 13

 
Praxis-Beispiel
  • Werkleistungen:

    • Druckereigewerbe:

      Eine Druckerei stellt Druckerzeugnisse aus vom Auftraggeber gestelltem Papier her und stellt selbst nur Nebensachen zur Verfügung (Farben, Bindema...

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