Rz. 51

Unternehmer können Waren über Lager verkaufen, die sich nicht unmittelbar bei Ihnen befinden. Wenn diese Waren über ein Lager verkauft werden, das sich direkt bei einem (potenziellen) Abnehmer befindet, der Kunde aber erst später die Verfügungsmacht an der Ware erlangt, stellt sich bei grenzüberschreitenden Vorgängen die Frage, wer zu welchem Zeitpunkt welche Leistung der Besteuerung zu unterwerfen hat. Unterhält ein Unternehmer bei einem Kunden (oder ggf. bei einem anderen Dritten) eine Lagerfläche, auf die ein (potenzieller) Abnehmer oder mehrere Abnehmer zugreifen können, wird von einem Konsignationslager gesprochen. Kann nur ein (potenzieller) Abnehmer auf die Ware zugreifen, wird von einem "call-off-stock" gesprochen. In jedem Fall ist aber die Verschaffung der Verfügungsmacht erst dann möglich, wenn die Ware von dem Kunden aus dem Konsignationslager entnommen wird, um weiter verarbeitet, als Ersatzteil verwendet oder weiter verkauft zu werden.

4.3.1 Rechtsfolgen bis 31.12.2019

 

Rz. 52

In Ermangelung einer nationalen gesetzlichen Regelung wurden früher die umsatzsteuerrechtlichen Folgen bei der Lieferung über ein Konsignationslager von der Finanzverwaltung und dort von der OFD Frankfurt vorgegeben. Danach waren nach Auffassung der Finanzverwaltung[1] die folgenden Möglichkeiten denkbar:

  • Liefert ein im Drittlands- oder Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer Waren aus dem Drittland oder dem Gemeinschaftsgebiet in ein von ihm in Deutschland unterhaltenes Konsignationslager, aus dem der inländische Abnehmer Waren bei Bedarf entnimmt, verschafft er grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Warenentnahme aus dem Konsignationslager die Verfügungsmacht i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG an den Abnehmer. Gleichzeitig verwirklicht er nach § 3 Abs. 6 UStG eine im Inland steuerbare und steuerpflichtige Lieferung.
  • Verbringt ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer Waren in ein in Deutschland belegenes Konsignationslager, verwirklicht er in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a Abs. 2 S. 1 UStG. Im Zeitpunkt der Entnahme durch den Leistungsempfänger aus dem Konsignationslager bewirkt der Unternehmer wiederum eine in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Lieferung. Dies hat zur Folge, dass der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer verpflichtet ist, sich in Deutschland für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren zu lassen.
 

Rz. 53

Nachdem aber schon das Hessische FG[2] zu dem Ergebnis gekommen war, dass Lieferungen eines spanischen Unternehmers in ein deutsches Konsignationslager nicht erst bei der Entnahme aus dem Lager der Umsatzsteuer unterlägen, sofern bei der Einlieferung der Abnehmer bereits verbindlich feststehe, hatte der BFH[3] im Revisionsverfahren diese Rechtsauffassung bestätigt und sich gegen die recht undifferenzierte Sichtweise der Finanzverwaltung in der früheren Fassung des Abschn. 1a.2 Abs. 6 S. 1 UStAE a. F. gewandt. Der BFH hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass eine Beförderungs- oder Versendungslieferung im Ausgangsmitgliedstaat dann vorliegen kann, wenn der Abnehmer schon bei Beginn der Beförderung oder Versendung feststeht und er den Gegenstand auch verbindlich abnimmt. Liegt dies vor, steht es einer Beförderungs- oder Versendungslieferung nicht entgegen, wenn der Liefergegenstand nach dem Beginn der Beförderung oder Versendung für kurze Zeit in einem Auslieferungslager in einem anderen Mitgliedstaat gelagert wird. Darüber hinaus hat der BFH[4] aber in einer weiteren Entscheidung deutlich gemacht, dass eine Lieferung erst im Konsignationslager ausgeführt sein kann, wenn entweder der Abnehmer noch nicht feststeht oder es noch nicht feststeht, ob der Gegenstand überhaupt von dem Käufer erworben wird (fehlende Abnahmeverpflichtung).

 

Rz. 54

Die Finanzverwaltung[5] hat die Entscheidungen des BFH umgesetzt und entsprechend den UStAE ergänzt. Gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat und steht der Abnehmer der Ware eindeutig fest, steht es der Annahme einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung im Ausgangsmitgliedstaat nicht entgegen, wenn die Ware kurzzeitig in einem auf Initiative des Abnehmers eingerichteten Auslieferungs- oder Konsignationslager zwischengelagert wird. Keine Festlegung enthält das BMF-Schreiben, wie lange "kurzzeitig" sein kann. Es wird lediglich festgestellt, dass dies einige Tage oder Wochen sein können. In dem vom BFH entschiedenen Fall waren es wohl max. zwölf Wochen. Steht der Abnehmer aber bei Beginn der Beförderung oder Versendung noch nicht fest oder liegt keine tatsächliche Abnahmeverpflichtung eines bestimmten Abnehmers vor, kann die Lieferung zu diesem Zeitpunkt noch nicht als ausgeführt angesehen werden. In diesen Fällen ist ein innergemeinschaftliches Verbringen mit anschließender Lieferung durch den liefernden Unternehmer anzunehmen. Eine nur wahrscheinliche Begründung einer Abnehmerstellung ohne tatsächliche Abnahmeverpflichtung reicht nicht aus, um schon mit dem Tran...

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