Rz. 9

Nach § 3 Abs. 1a UStG liegt eine (fiktive) Lieferung vor, wenn ein Unternehmer einen seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstand aus dem Inland zu seiner Verfügung in einen anderen Mitgliedstaat verbringt. Der Verbringenstatbestand setzt voraus, dass der Gegenstand zur eigenen Verfügung in den anderen Mitgliedstaat gelangt, also nicht im Zusammenhang mit der Übertragung der Verfügungsmacht i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG (= Lieferung) in einen anderen Mitgliedstaat gelangt. Die Lieferfiktion ergibt sich aber nicht, wenn der Gegenstand nur zu einer vorübergehenden Verwendung in einen anderen Mitgliedstaat gelangt.

 

Rz. 10

Damit es zu einem innergemeinschaftlichen Verbringen kommen kann, muss ein Gegenstand vorliegen. Gegenstand nach dieser Regelung sind entsprechend auch der Definition in § 3 Abs. 1 UStG Sachen und Tiere[1], aber auch Sachgesamtheiten und Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsverkehr wie körperliche Sachen behandelt werden (z. B. Gas, Energie).[2] Weiterhin muss der Gegenstand auch zulässigerweise dem Unternehmen zugeordnet worden sein. Zumindest theoretisch können sich Probleme ergeben, wenn ein Unternehmer einen Gegenstand zulässigerweise nur teilweise seinem Unternehmen zugeordnet hat. Gemäß den unionsrechtlichen Vorgaben[3] kann der Unternehmer einen Gegenstand, den er sowohl für seine unternehmerischen als auch für seine privaten Zwecke verwendet, ganz, gar nicht oder teilweise dem Unternehmen zuordnen (Zuordnungswahlrecht). Obwohl es in der Praxis eher ungewöhnlich wäre, wenn der Unternehmer einen solchen gemischt genutzten Gegenstand nur teilweise dem Unternehmen zugeordnet hat und diesen Gegenstand dann anschließend in einen anderen Mitgliedstaat zur eigenen Verwendung verbringt, kann sich die Lieferung in einem solchen Fall nach § 3 Abs. 1a UStG nur auf den, dem Unternehmen zugeordneten Teil des Gegenstands beziehen. Der nicht dem Unternehmen zugeordnete Teil des Gegenstands ist dann nicht steuerbar in den anderen Mitgliedstaat verbracht.

 

Rz. 11

Liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1a UStG vor und greifen auch keine Ausnahmetatbestände, gilt der Unternehmer nach § 3 Abs. 1a S. 2 UStG als Lieferer. Der Vorgang ist dann nach der allgemeinen Systematik auf Steuerbarkeit und Steuerpflicht zu überprüfen. Das als Lieferung gegen Entgelt geltende innergemeinschaftliche Verbringen ist nach § 3 Abs. 5a UStG i. V. m. § 3 Abs. 6 UStG als Beförderungs- oder Versendungslieferung dort ausgeführt, wo die Beförderung der Gegenstände beginnt oder die Gegenstände einem beauftragten Dritten übergeben werden. Da die Regelung des § 3 Abs. 1a S. 1 UStG davon ausgeht, dass der Gegenstand aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt, muss der Ort der Lieferung sich im Inland befinden, sodass die Fiktion des § 3 Abs. 1a UStG zu einem steuerbaren Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG führt.

 

Rz. 12

Die im Inland steuerbare fiktive Lieferung aufgrund des innergemeinschaftlichen Verbringens gilt nach § 6a Abs. 2 UStG als innergemeinschaftliche Lieferung, für die regelmäßig die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erfüllt sein müssen. Allerdings ist – zumindest für Verbringenstatbestände bis zum 31.12.2019 – die Verwendung einer USt-IdNr. aus dem Bestimmungsland (oder einem anderen Mitgliedstaat) nicht materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzung für die innergemeinschaftliche Lieferung[4], sodass die Steuerbefreiung des innergemeinschaftlichen Verbringens im Ausgangsmitgliedstaat nur dann versagt werden kann, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung vorliegen. Da zum 1.1.2020 durch Erweiterung der Tatbestandsvoraussetzungen für die innergemeinschaftliche Lieferung in § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG[5] und der Voraussetzung, dass die zutreffende Aufnahme in der Zusammenfassenden Meldung notwendig für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung wird[6], Verschärfungen für die innergemeinschaftliche Lieferung gegenüber einem Dritten eintreten, wird sich dies entsprechend auch auf die Befreiung des innergemeinschaftlichen Verbringens auswirken. Dies kann insbesondere zu Problemen im Zusammenhang mit Konsignationslagerfällen ab 2020 führen, bei denen die Ware nicht binnen der gesetzlichen Frist von zwölf Monaten an den vorbestimmten Erwerber veräußert und dann ein innergemeinschaftliches Verbringen angenommen wird (vgl. auch Rz. 62).

 

Rz. 13

Der Unternehmer hat die besonderen Aufzeichnungspflichten des § 22 Abs. 4a UStG zu beachten. Im anderen Mitgliedstaat gilt er als Erwerber. Sein Erwerb unterliegt dem dort geltenden Steuersatz; die entrichtete Erwerbsteuer ist im Bestimmungsland grundsätzlich als Vorsteuer abzugsfähig.

 

Rz. 14

Verbringt der Unternehmer einen Gegenstand aus einem anderen Mitgliedstaat ins Inland, gilt er nach § 1a Abs. 2 UStG als inländischer Erwerber. Da sich der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs nach § 3d S. 1 UStG am Ende der Beförderung oder Versendung befindet, ergibt sich im Inland ein steuerbarer innergemeinschaftlicher Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 USt...

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