Rz. 1

Die Vorschrift enthält zwei Definitionen, die sich auf das vom Steuertatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorausgesetzte Merkmal "Entgelt" beziehen und diesen hinsichtlich seiner Anwendung auf den Steuerfall ergänzen. § 3 Abs. 12 S. 1 UStG definiert als Tausch einen Vorgang, bei dem das Entgelt für eine Lieferung wiederum in einer Lieferung besteht. Nach § 3 Abs. 12 S. 2 UStG liegt ein tauschähnlicher Umsatz vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht. Beiden Vorgängen ist gemeinsam, dass das Entgelt für die Leistung nicht in einer Geldzahlung, sondern in einer anderen umsatzsteuerrechtlich relevanten Leistung besteht, die jedoch in Geld ausdrückbar sein muss.[1] Dies leitet sich ohnehin aus der in § 10 Abs. 1 S. 2 UStG enthaltenen Regelung ab, nach der unter Entgelt alles zu verstehen ist, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Bereits hieraus wird deutlich, dass das den Steuertatbestand verwirklichende Entgelt nicht in Geld bestehen muss, sondern vielmehr in jeder "aufgewendeten", also in Geld ausdrückbaren Gegenleistung bestehen kann.[2]

 

Rz. 2

Die beiden Definitionen des § 3 Abs. 12 UStG haben deshalb lediglich klarstellenden Charakter. Für den Tausch wird festgestellt, dass jede Lieferung (und beim tauschähnlichen Umsatz jede sonstige Leistung oder Lieferung) gleichzeitig Steuerobjekt und Entgelt für die Gegenleistung ist. Die Steuerbarkeit einer Lieferung oder sonstigen Leistung ergibt sich dabei bereits aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG i. V. m. § 10 Abs. 1 UStG folgt, dass die Steuerbarkeit einer Lieferung oder sonstigen Leistung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass sie selbst Entgelt für eine Gegenleistung ist, die ihrerseits eine Lieferung oder sonstige Leistung darstellt.[3]

 

Rz. 3

Systematische Bedenken gegen die Steuerbarkeit von Tauschvorgängen bestehen nicht.[4] Denn nur die Gleichbehandlung aller Gegenleistungen – gleichgültig, ob in Geld, Lieferungen oder sonstigen Leistungen – ist mit dem Neutralitätsgrundsatz vereinbar.[5] Zwischen den beiden ausgetauschten Leistungen muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen[6], der jedoch nicht zwingend eine synallagmatische Verbindung der Leistungspflichten des zivilrechlichen Tauschvertrags voraussetzt. Eine sonstige Leistung wird gegen Entgelt bewirkt, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden.[7] Tausch und tauschähnlicher Umsatz sind als zwei selbstständig zu beurteilende Umsätze durch die Modalität der Entgeltvereinbarung verknüpft.[8]

Es ist unerheblich, ob die Vertragsparteien die einander erbrachten Leistungen als entgeltlich oder unentgeltlich bezeichnen, da nicht die Vereinbarung der Parteien, sondern die Verwirklichung des Steuertatbestands maßgeblich ist.[9]

 

Rz. 4

Beteiligte eines Tauschs oder tauschähnlichen Umsatzes können Unternehmer und Nichtunternehmer sein.[10] Eine steuerbare Leistung ergibt sich jedoch nur für den als Unternehmer handelnden Beteiligten. Die Leistung eines Nichtunternehmers ist nicht steuerbar, ihr Wert ist aber Bemessungsgrundlage für die Leistung des Unternehmers. Die Annahme eines steuerbaren Umsatzes kann jedoch für die Verpflichtung zur Rechnungsstellung oder die Steuerschuldnerschaft relevant sein.

 

Rz. 5

Auch wenn bei Tauschgeschäften der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz anzusehen ist (§ 10 Abs. 2 UStG), muss doch jeder Umsatz für sich selbstständig beurteilt werden (z. B. hinsichtlich Steuerbarkeit, Steuerbefreiung, Steuersatz). Die wertmäßige Saldierung von Leistung und Gegenleistung ist nicht zulässig.[11] Die umsatzsteuerliche Beurteilung des jeweiligen Umsatzes richtet sich nach den Regeln für die bewirkte Leistung, nicht nach den Regeln für die erhaltene (Gegen-)Leistung.[12]

[2] EuGH v. 2.6.1994, C-33/93, Empire Stores Ltd., UR 1995, 64; BFH v. 1.8.2002, V R 21/01, BFH/NV 2003, 126, BStBl II 2003, 438; Martin, in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 UStG Rz. 772.
[3] So auch Leonard, in Bunjes, UStG, § 3 UStG Rz. 306; Nieskens, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Rz. 4462.
[5] Vgl. auch Nieskens, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Rz. 4467ff.
[6] BFH v. 8.11.1995, XI R 63/94, BFH/NV 1996, 109, unter Bezugnahme auf EuGH v. 3.3.1994, C–16/93; Martin, in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 UStG Rz. 772.
[8] Martin, in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 UStG Rz. 772.

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