5.2.1 Zurechnung der Lieferung (Eigenhandel/Vermittlung/unechte Agentur)

 

Rz. 310

Lässt sich der Unternehmer beim Abschluss und bei der Abwicklung eines Liefergeschäfts durch einen selbstständigen Dritten vertreten, stellt sich regelmäßig die Frage, ob der Unternehmer oder der Dritte die Lieferung an den Abnehmer erbringt. Die Entscheidung hängt in erster Linie davon ab, ob der Dritte bei der Ausführung der Lieferung gegenüber dem Abnehmer im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen seines Auftraggebers aufgetreten ist.[1] Handelt der Dritte (berechtigterweise) im Namen des Auftraggebers, entstehen aufgrund des Zurechnungsgrundsatzes des § 164 Abs. 1 BGB unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und dem Abnehmer, aufgrund derer der Auftraggeber den Kaufpreis für den Lieferungsgegenstand beanspruchen kann und verpflichtet ist, die geschuldete Lieferung an den Abnehmer zu erbringen. Dementsprechend ist die Lieferung an den Abnehmer auch dann dem Auftraggeber zuzurechnen, wenn die Ware durch den Dritten an den Abnehmer übergeben wird, § 3 Abs. 1 UStG. Der Dritte selbst erbringt an seinen Auftraggeber eine sonstige Leistung i. S. d. § 3 Abs. 9 UStG, die in der Vermittlung des Liefergeschäfts zwischen dem Auftraggeber und dem Abnehmer besteht.

Tritt dagegen der Dritte gegenüber dem Abnehmer im eigenen Namen auf, wird er selbst aus dem Schuldverhältnis, das dem Leistungsaustausch zugrunde liegt, berechtigt und verpflichtet (Eigenhandel).[2] Es liegt dann grundsätzlich eine Lieferkette vor, bei der der Auftraggeber nicht unmittelbar an den Abnehmer liefert, sondern an den Dritten, welcher seinerseits die empfangene Lieferung an den Abnehmer weitergibt.

 

Rz. 311

Auf das Auftreten des selbstständigen Dritten im fremden Namen kommt es ausnahmsweise nicht an, wenn der Dritte für eigene Rechnung handelt, indem er – und nicht sein Auftraggeber – das Risiko des vermittelten Geschäfts trägt (Geschäftsrisiko, u. a. im Hinblick auf Preisgestaltung, Mängelhaftung, zufälligen Untergang der Sache). Denn durch die Übernahme des Geschäftsrisikos bringt der Dritte zum Ausdruck, dass er ungeachtet des Auftretens im fremden Namen nicht für seinen Auftraggeber, sondern für sich selbst handelt. Sein Handeln im fremden Namen verdeckt dann lediglich, dass er selbst und nicht sein Auftraggeber die Lieferung an den Abnehmer erbringt (unechte Agentur).[3]

Rz. 312–314 einstweilen frei

5.2.2 Treuhandverhältnisse

 

Rz. 315

Der Begriff "Treuhandverhältnis" hat sich im Laufe der Zeit unterschiedlich entwickelt; er ist nirgends kodifiziert. Zumeist wird er wie folgt definiert:

Treuhänder ist, wer im eigenen Namen oder im Namen des Treugebers ausschließlich die Interessen des Treugebers wahrnimmt, d. h. – umsatzsteuerlich gesehen – Lieferungen und sonstige Leistungen im Interesse und für Rechnung der Auftraggebers ausführt oder entgegennimmt.

Zivilrechtlich wird unterschieden zwischen

  • der Vollrechts-Treuhand, bei der der Treugeber dem Treuhänder das Vollrecht am Treugut[1] überträgt mit der Auflage, die Weisungen des Treugebers zu beachten, und
  • der Ermächtigungstreuhand, bei der das rechtliche Eigentum am Treugut beim Treugeber verbleibt und der Treuhänder lediglich gem. § 185 BGB ermächtigt wird, als Nichtberechtigter mit Einwilligung des Berechtigten im eigenen Namen über das Treugut zu verfügen.
 

Rz. 315a

Während die Unterscheidung zwischen Voll- und Ermächtigungstreuhand das (Innen-)Verhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder betrifft, wird entsprechend dem Auftreten des Treuhänders im Außenverhältnis unterschieden zwischen den Fällen, in denen das Bestehen eines Treuhandverhältnisses nach außen sichtbar ist (sog. offene Treuhandschaft), und den Fällen, in denen ein Außenstehender nicht erkennen kann, dass der Treuhänder im Interesse und für Rechnung eines anderen handelt (sog. verdeckte Treuhandschaft). Die verdeckte Treuhandschaft bildet dabei in der Praxis die Regel; denn die "Verdeckung" des eigentlichen Geschäftsherrn, des Treugebers, ist oft der Hauptzweck der Treuhandschaft.[2]

[2] Wegen weiterer Einzelheiten zur Bestimmung des Begriffs "Treuhandschaft" s. Heidner, UR 1995, 122; Schön, USt-Kongressbericht 1991/1992, 146ff.; BFH v. 11.10.1990, V R 75/85, BStBl II 1991, 191.

5.2.2.1 Leistungsbeziehungen bei Begründung des Treuhandverhältnisses

 

Rz. 316

Die Übertragung eines Wirtschaftsguts im Innenverhältnis vom Treugeber an den Treuhänder ("zu treuen Händen") bei Begründung des Treuhandverhältnisses stellt i. d. R. keine Lieferung i. S. d. Umsatzsteuerrechts dar.

 

Rz. 317

In den Fällen der Ermächtigungstreuhand wird dem Treuhänder weder Eigentum noch eine eigentümerähnliche Verfügungsbefugnis über das Treugut eingeräumt. Der Treuhänder unterliegt bei der Verfügung über das Treugut den Weisungen des Treugebers, für dessen Interessen und für dessen Rechnung er tätig wird.

Wird im Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder eine Vollrechts-Treuh...

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