Rz. 247

Gerät im Fall der Sicherungsübereignung der Sicherungsgeber (Schuldner) in Insolvenz, wird das Sicherungsgut ebenso behandelt wie ein rechtsgeschäftlich verpfändeter Gegenstand des Gemeinschuldners. Infolge des Insolvenzbeschlags[1] hat der Sicherungsnehmer (Gläubiger) kein Aussonderungsrecht wie der Eigentümer[2], sondern nur das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Sicherungseigentum.[3] Für die umsatzsteuerliche Beurteilung der in Ausübung dieses Absonderungsrechts durch den Insolvenzverwalter ausgeübten Handlungen gelten grundsätzlich die allgemeinen Grundsätze über die Verwertung von Sicherungsgut (Rz. 201ff.). Die Grundsätze zum Doppel- und Dreifachumsatz finden auch bei der Verwertung von sicherungsübereigneten Gegenständen im Insolvenzverfahren Anwendung.[4] Auf der Basis der Rechtsprechung des BFH[5] hat die Finanzverwaltung[6] die Konsequenzen aus der Verwertung von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren zusammen gestellt.

Der Insolvenzverwalter darf nach § 166 Abs. 1 InsO eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, freihändig verwerten. Hierzu ist er jedoch nicht verpflichtet. Demnach steht es dem Insolvenzverwalter grundsätzlich frei, dem Gläubiger die Verwertung nach § 170 Abs. 2 InsO zu überlassen oder die Verwertung freihändig unter Ausübung des Verwertungsrechts nach § 166 Abs. 1 InsO vorzunehmen.

4.3.2.1.1 Keine Ausübung des Verwertungsrechts

 

Rz. 248

Macht der Insolvenzverwalter nicht von seinem Verwertungsrecht nach § 166 Abs. 1 InsO Gebrauch, sondern veräußert er stattdessen das Sicherungsgut im Namen des Sicherungsnehmers/Gläubigers, liegt ein Doppelumsatz vor. Im Rahmen dieses Doppelumsatzes liefert der Insolvenzverwalter das Sicherungsgut als Vertreter der Masse im Zeitpunkt der Verwertung an den Sicherungsnehmer/Gläubiger, welcher seinerseits zeitgleich das Sicherungsgut an den Erwerber weiterliefert. Das Entgelt für die Lieferung der Masse an den Gläubiger entspricht dem Betrag in Höhe der Schuldbefreiung, die sich für die Masse aufgrund der Verwertung durch den Gläubiger ergibt. Die vorweg zu begleichenden Kosten der Feststellung nach § 170 Abs. 2 InsO (Feststellungskostenpauschale) gehören dabei nicht zum Entgelt.[1]

[1] Vgl. dazu auch BFH v. 28.7.2011, V R 28/09, BStBl II 2014, 406, BFH/NV 2011, 1985.

4.3.2.1.2 Ausübung des Verwertungsrechts

 

Rz. 249

Verwertet der Insolvenzverwalter die einem Absonderungsrecht unterliegende bewegliche Sache für die Masse selbst, ist zwar von einer Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an den Sicherungsnehmer/Gläubiger auszugehen. Bei der Verwertung beweglicher Gegenstände findet jedoch ein Dreifachumsatz statt, in welchem die Geschäftsbesorgungsleistung aufgeht. Da der Insolvenzverwalter bei der eigentlichen Lieferung des Sicherungsguts an den Erwerber im Namen der Masse auftritt, ist diese Lieferung der Masse zuzurechnen. Der Insolvenzverwalter erbringt diesen Umsatz jedoch wie ein Kommissionär für Rechnung des Sicherungsnehmers/Gläubigers, weil durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Verwertungsreife eingetreten ist.[1] Der Lieferung an den Erwerber ist deshalb über § 3 Abs. 3 UStG eine fiktive Lieferung des Sicherungsnehmers/Gläubigers als Kommittent an die Masse vorgeschaltet, in welcher die an sich vorliegende Geschäftsbesorgungsleistung aufgeht.[2] Im Rahmen dieses Kommissionsgeschäfts sind die Kosten der Feststellung und Verwertung nach § 170 Abs. 1 i. V. m. § 171 InsO umsatzsteuerlich genauso zu behandeln wie die Provisionen des Kommissionärs bei einem üblichen Verkaufskommissionsgeschäft.

 

Rz. 250

Der Sicherungsnehmer/Gläubiger kann das Sicherungsgut jedoch nur dann an die Masse liefern, wenn er selbst hieran Verfügungsmacht erhalten hat. Dies bedingt, dass die Sicherungsübereignung im Zeitpunkt der Verwertung zu einer Lieferung der Masse an den Sicherungsnehmer/Gläubiger geführt hat. Das Entgelt für diese Lieferung besteht in dem Betrag, um den die Masse von ihren Schulden gegenüber dem Sicherungsnehmer/Gläubiger befreit wird.

 

Rz. 251

Zur Darstellung der Abrechnungen und der Auskehrungen im Rahmen der Ausübung des Verwertungsrechts durch den Insolvenzverwalter vgl. BMF v. 30.4.2014.[3]

 

Rz. 252

Die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung basiert im Wesentlichen auf der Entscheidung des BFH[4] v. 28.7.2011. Bis dahin war davon ausgegangen worden, dass ein Doppel- oder Dreifachumsatz nicht gegeben war, wenn das Sicherungsgut bereits vor Eintritt der Verwertungsreife vom Sicherungsgeber an einen Dritten geliefert wurde[5] oder wenn bei der Sicherungsverwertung im Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter von seinem Recht zur freihändigen Verwertung eines sicherungsübereigneten Gegenstands nach § 166 Abs. 1 InsO Gebrauch machte. Für vor dem 1.7.2014 ausgeführte Umsätze beanstandete die Finanzverwaltung es nicht, wenn nicht von einem Doppel- oder Dreifachumsatz ausgegangen wurde.

Rz. 253–259 einstwei...

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