Rz. 160

Insbesondere bei beweglichen Gegenständen fällt die Verschaffung der Verfügungsmacht (= Lieferung) meist zusammen mit der Übertragung des Eigentums. Diese setzt – von den Fällen des gutgläubigen Erwerbs von einem Nichtberechtigten abgesehen – voraus, dass der Übertragende Eigentum an der Sache besitzt. Die Lieferung geschieht dann entweder

  • durch körperliche Übergabe des beweglichen Gegenstands zu Eigentum[1],
  • durch Einigung über den Eigentumsübergang, wenn der Abnehmer den beweglichen Gegenstand schon besitzt[2], etwa wenn

    • der Eigentümer dem Mieter oder Pächter den Miet-(Pacht-)Gegenstand verkauft,
    • die Ware nur auf Probe verkauft wird. Hier geht die Ware zwar mit der Zusendung in den Besitz des Erwerbers über. Eigentum und Verfügungsmacht werden jedoch erst mit Billigung des Kaufvertrags (= Einigung) übertragen (Rz. 147),
  • durch Besitzkonstitut i. S. d. § 930 BGB, wenn der Unternehmer dem Abnehmer das Eigentum überträgt, ohne den Besitz des beweglichen Gegenstands aufzugeben.
 
Praxis-Beispiel

Der Verkäufer schließt mit dem Käufer gleichzeitig mit der Übereignung einen Verwahrungsvertrag, in dem sich der Verkäufer verpflichtet, die verkaufte Ware bis zu ihrer Abholung für den Käufer zu lagern. Hier wird mit Abschluss des Verwahrungsvertrags die Verfügungsmacht an der Ware verschafft.[3]

  • durch Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 BGB, wenn der Unternehmer den beweglichen Gegenstand nicht selbst in Besitz (z. B. vermietet) hat. Tritt er seinen Herausgabeanspruch gegen den Besitzer an den Erwerber des Gegenstands ab, überträgt er diesem dadurch das Eigentum und die Verfügungsmacht.
  • durch Übergabe eines sog. Traditionspapiers, z. B. Lagerscheins[4], Ladescheins[5], Konnossements[6], wenn sich der Lieferungsgegenstand bei einem Frachtführer, Lagerhalter oder Verfrachter befindet. Hier werden mit Einigung und Übergabe des indossierten Traditionspapiers das Eigentum und i. d. R. auch die Verfügungsmacht an dem eingelagerten oder in Beförderung befindlichen Gegenstand übertragen. Lieferungszeitpunkt ist dabei der Zeitpunkt der Übergabe des Traditionspapiers; Lieferort ist gem. § 3 Abs. 7 S. 1 UStG dort, wo sich der Gegenstand zu diesem Zeitpunkt befindet. Keine Traditionspapiere sind Frachtbriefe und Lieferscheine[7] sowie Empfängeranweisungen (z. B. Blankoavise), durch die der Abnehmer dem Frachtführer gegenüber berechtigt wird, die Ware in Empfang zu nehmen.[8]
 

Rz. 161

Für Beförderungs- bzw. Versendungslieferungen werden der Lieferungszeitpunkt und der Lieferungsort kraft gesetzlicher Fiktion bestimmt.[9] Die Lieferung gilt in dem Zeitpunkt als ausgeführt, in dem die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands beginnt; vgl. dazu § 3 Abs. 6 UStG.

Rz. 162–169 einstweilen frei

[3] OFD Saarbrücken v. 12.12.1988, S 7415 – 6 – St 24 1, UR 1989, 135; zur umsatzsteuerlichen Behandlung sog. Überlieferungen, die darauf beruhen, dass bei Abschluss eines Kauf- und Verwahrungsvertrags über eine separat lagernde Getreidepartie die Menge ausnahmsweise nicht gewogen, sondern lediglich geschätzt und erst bei Auslagerung der Partie die exakte Menge ermittelt wird, s. OFD München v. 3.8.1992, S 7410 – 11 – St 44 – 32, UR 1993, 240.
[7] BFH v. 15.10.1964, V 43/62, HFR 1965, 338.
[8] BFH v. 12.8.1965, V 163/63, HFR 1965, 568.

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