Rz. 145

Die Übertragung der wirtschaftlichen Substanz am Gegenstand allein beinhaltet noch keine Verschaffung der Verfügungsmacht. Hinzutreten muss der gemeinsame Wille des Leistenden und des Leistungsempfängers, den Substanzwert endgültig und nicht nur auf Zeit zu übertragen. So wird z. B. dem Mieter eines Gegenstands nach dem Willen der Mietparteien die Verfügungsbefähigung nur vorübergehend, nämlich für die Dauer des Mietverhältnisses eingeräumt.[1]

 

Rz. 146

Kommissionsgut

Die Übertragung des Kommissionsguts durch den Kommittenten an den Verkaufskommissionär stellt noch keine Lieferung i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG dar. Diese erfolgt gem. § 3 Abs. 3 UStG erst, wenn die Lieferung des Kommissionärs an den Abnehmer ausgeführt wird.[2] Bis zu diesem Zeitpunkt besteht der Wille der Beteiligten, die Verfügungsmacht nicht endgültig auf den Kommissionär zu übertragen. Denn dieser ist nach § 667 BGB verpflichtet, das Kommissionsgut wieder herauszugeben, wenn das Ausführungsgeschäft nicht zustande kommt.

 

Rz. 147

Kauf auf Probe

Bei dem vorwiegend im Versandhandel anzutreffenden sog. Kauf auf Probe steht der zu schließende Kaufvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der im freien Ermessen stehenden Billigung des Kunden. Bis zur Billigung der Sendung durch die Empfänger dürfen diese nicht wie ein Eigentümer beliebig mit den Waren verfahren, denn es steht noch nicht fest, ob sie die Waren zurückzugeben haben. Damit ist ihnen bis zum Zeitpunkt der Zusendung weder Substanz noch Wert der Ware übertragen worden.[3] Das Umsatzgeschäft wird erst nach Ablauf der Billigungsfrist – z. B. 14 Tage – oder durch Überweisung des Kaufpreises vor Ablauf dieser Frist abgeschlossen. Entsprechend liegt dann auch keine Beförderungs- oder Versendungslieferung nach § 3 Abs. 6 UStG vor, sondern eine Lieferung i. S. d. § 3 Abs. 7 S. 1 UStG.[4] Erklärt dagegen der Kunde rechtzeitig die Nichtbilligung, kommt ein Kaufvertrag nicht zustande und es wird keine Lieferung ausgeführt.

Von dem Kauf auf Probe abzugrenzen ist der Kauf mit Rückgaberecht, bei dem bereits mit Eingang der Bestellung ein unbedingter Kaufvertrag zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Kunden zustande kommt. Hier ist der Wille der Vertragsparteien darauf ausgerichtet, dem Kunden die wirtschaftliche Substanz der Ware endgültig zu übertragen. In diesen Fällen ist deshalb die Lieferung gem. § 3 Abs. 6 UStG bereits mit Beginn der Beförderung oder Versendung an den Kunden ausgeführt.[5] Macht der Kunde von seinem Rückgaberecht Gebrauch, liegt eine Rückgängigmachung der Lieferung i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG vor.

 

Rz. 148

Hat sich der Verkäufer einer Zugmaschine im Kaufvertrag vorbehalten, das Fahrzeug jederzeit ohne Einhaltung einer Frist herauszuverlangen, ist die Verfügungsmacht nicht endgültig auf den Erwerber übergegangen.[6] Es liegt deshalb keine Lieferung vor.

 

Rz. 149

Materialbeistellung und -gestellung

Übergibt der Besteller eines Werks dem Hersteller Werkstoffe zur Herstellung des anzufertigenden Gegenstands (sog. Materialbeistellung und -gestellung), stellt dies keine Lieferung dar, weil nach dem Willen der Vertragsparteien der Werkhersteller die Verfügungsmacht über die Werkstoffe nicht endgültig erhält, sondern sie weisungsgemäß zur Herstellung des zu liefernden Gegenstands verwenden muss (§ 3 Abs. 4 UStG Rz. 50ff.).

 

Rz. 150

Ein Stromerzeuger, der überschüssigen Strom in einem fremden Pumpspeicherkraftwerk speichern lässt, um ihn in Spitzenbelastungszeiten wieder in sein Stromnetz zurückzuführen, bewirkt keine Stromlieferung an den Betreiber des Pumpspeicherkraftwerks. Die vertraglichen Beziehungen sind nicht auf (endgültige) Stromlieferung gerichtet, sondern auf vorübergehende Speicherung. Nach dem Willen der Beteiligten ist somit die wirtschaftliche Substanz des Pumpstroms nicht endgültig auf den Betreiber des Pumpspeicherkraftwerks übergegangen mit der Folge, dass keine Lieferung und Rücklieferung von Strom, sondern nur eine sonstige Leistung des Speicherkraftwerkbetreibers in Form der Stromverwahrung vorliegen kann.[7]

Rz. 151–159 einstweilen frei

[1] BFH v. 25.3.1965, V 30/62, HFR 1965, 391.
[3] BFH v. 6.12.2007, V R 24/05, BFH/NV 2008, 713, BStBl II 2009, 490 zur Frage des Orts einer Lieferung bei Zusendung auf Probe.
[6] Niedersächsisches FG v. 15.10.1992, V 456/90, n. v.

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