Rz. 23

Im Rahmen eines Reihengeschäfts kann es nach § 3 Abs. 6a S. 1 UStG nur eine Beförderungs- oder Versendungslieferung (bewegte Lieferung) geben, deren Ort sich nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG bestimmt. Alle weiteren Lieferungen im Reihengeschäft sind nicht bewegte bzw. ruhende Lieferungen, deren Ort nach § 3 Abs. 7 Nrn. 1 oder 2 UStG bestimmt wird.

 

Rz. 24

Die Zuordnung der Beförderung oder Versendung (bewegte Lieferung) innerhalb der Lieferungen des Reihengeschäfts hängt davon ab, welche am Reihengeschäft beteiligte Person den Gegenstand befördert oder versendet. Dazu kommt entweder der erste Unternehmer (dazu Rz. 33) oder der letzte Abnehmer (dazu Rz. 34) oder ein Zwischenhändler (dazu Rz. 35) in Betracht.

 

Rz. 25

Da es im Reihengeschäft nach § 3 Abs. 6a S. 1 UStG nur eine bewegte Lieferung geben kann, muss die Zuordnungsentscheidung für alle Beteiligten einheitlich getroffen werden.[1] Für die Zuordnung der bewegten Lieferung ist maßgebend, welcher am Reihengeschäft Beteiligte die Beförderung tatsächlich durchgeführt bzw. die Versendung durch einen selbstständigen Beauftragten veranlasst hat. Dies leitet sich insbesondere aus § 3 Abs. 6a S. 2-4 UStG ab, die an diese Voraussetzung anknüpfen.

 

Rz. 26

Bei der Beförderung durch eine am Reihengeschäft beteiligte Person kommt es auf die tatsächliche Fortbewegung des Gegenstands durch eine der am Reihengeschäft beteiligten Person an, denn eine Beförderung liegt vor, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer ohne Einschaltung eines Spediteurs, Frachtführers, Verfrachters oder eines sonstigen Unternehmers den Liefergegenstand mit eigenen Transportmitteln selbst oder durch einen unselbstständigen Erfüllungsgehilfen zu seinem Abnehmer oder in dessen Auftrag zu einem Dritten den Gegenstand befördert (s. Kommentierung zu § 3 Abs. 6 UStG Rz. 18).

 

Rz. 27

Bei der Versendung ist nach Ansicht der Finanzverwaltung auf den Beteiligten des Reihengeschäfts abzustellen, der den Versendungsauftrag erteilt hat. Dies sei anhand der Frachtzahlerkonditionen vorzunehmen, sofern sich aus den Geschäftsunterlagen nichts anderes ergibt.[2]

 

Rz. 28

Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH kommt es dagegen zur Bestimmung der bewegten Lieferung innerhalb des Reihengeschäfts auf die im Einzelfall zu ermittelnde Übertragung der Verfügungsmacht an. Der EuGH hat sich in Sachen Euro Tyre Holding[3] und in Sachen VStR[4] zur Bestimmung der bewegten Lieferung geäußert. Diese solle "in Ansehung einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls" erfolgen. Außerdem müsse festgestellt werden, "welche der beiden Lieferungen alle Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt".

In Rz. 33 und Rz. 34 der VStR-Entscheidung hatte der EuGH klargestellt, dass die Beförderung bei einem Reihengeschäft mit drei Beteiligten

  • der ersten Lieferung zuzuordnen ist, wenn der Zweiterwerber im Abgangsland der Beförderung keine Verfügungsmacht am Liefergegenstand erlangt hat, bzw.
  • der zweiten Lieferung zuzuordnen ist, wenn der Ersterwerber (mittlerer Unternehmer) Verfügungsmacht am Liefergegenstand erlangt hat, bevor die Beförderung an den letzten Abnehmer erfolgte.
 

Rz. 29

Der BFH hatte sich dem angeschlossen.[5] In Rz. 35 der Entscheidung vom 25.2.2015 (XI R 15/14) geht er davon aus, dass die Verschaffung der Verfügungsmacht durch Eigentumsübertragung geschehen oder in der freiwilligen Übergabe durch den Eigentümer an den Erwerber bestehen könne. Wegen unklaren Sachverhalts konnte der BFH im Urteil v. 25.2.2015[6] eine konkrete Entscheidung über diese Frage nicht treffen und hat die Sache deshalb an das Finanzgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen, das den Streitfall am 31.5.2016 durch Urteil entschieden hat.[7]

 

Rz. 30

Die Verwaltungsauffassung, die für die Zuordnungsentscheidung allein auf die Transportverantwortung abstellt (Rz. 27), steht damit im Widerspruch zu der auf Unionsrecht basierenden Rechtsprechung des BFH.[8] Denn die Regelungen zur Lieferung unterscheiden nicht nach der Person, die die Beförderung oder Versendung tatsächlich übernommen hat, sondern wann und wo die Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen (Verfügungsmacht), übertragen wurde. Deshalb sind die Regelungen zum Reihengeschäft unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass es für die Zuordnung der Warenbewegung darauf ankommt, wann und wo welchem Beteiligten die Verfügungsmacht übertragen wurde.[9] Die eigentümergleiche Verfügungsmacht erfordert, dass dem Erwerber die wirtschaftliche Substanz, Wert und Ertrag an dem betreffenden Gegenstand übertragen wird. Die Besitzübertragung allein ist nicht ausreichend. Die Incoterms (im Streitfall des FG Düsseldorf: EXW H) regeln lediglich die Gefahrtragung und sind nur mittelbar ein Indiz für die Verschaffung der Verfügungsmacht, sind aber nicht notwendigerweise mit dem zivilrechtlichen Eigentumsübergang verbunden.[10] Auch die zivilrechtlichen Vorgaben können allein und unmittelbar nicht maßgebend sein. Die Transportverantwortung ist nur als ein weit...

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