Rz. 63

Für die in § 2b Abs. 4 Nr. 1 bis 5 UStG genannten Umsätze geht der Gesetzgeber typisierend vom Vorliegen größerer Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu einer Leistungsausführung durch private Unternehmer aus und ordnet daher die Umsatzbesteuerung im Fall der Durchführung durch jPöR an, "auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 S. 1 gegeben sind". Damit geht § 2b Abs. 4 UStG als Spezialregelung für die dort enumerativ aufgeführten Umsatzarten den vorstehenden Absätzen vor. Die Regelung gliedert sich in zwei Gruppen von Umsatzarten:

  • Tätigkeiten nach Nrn. 1 bis 4, bei denen nur die Art des Umsatzes entscheidend ist (Rz. 64) und
  • Tätigkeiten nach Nr. 5, bei denen zusätzlich vorausgesetzt wird, dass deren Umfang nicht unbedeutend ist (Rz. 65 bis 70).
 

Rz. 64

Die bereits bisher nach § 2 Abs. 3 UStG zwingend steuerbaren Umsatzarten sollen auch nach der Neuregelung des § 2b UStG der Umsatzbesteuerung unterliegen. Die bestehende Rechtslage soll insoweit der Gesetzbegründung zu Folge unverändert fortgeführt werden. § 2b Abs. 4 UStG übernahm daher zunächst in den Nrn. 1 bis 4 den bislang bereits in § 2 Abs. 3 S. 2 UStG enthaltenen Katalog von Sonderformen unternehmerischer Betätigungen bei Notaren und Ratschreibern im Landesdienst, Selbstabgabestellen der gesetzlichen Rentenversicherung für Brillen und Brillenteile, Vermessungs- und Katasterbehörden und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Vgl. dazu im Einzelnen § 2 UStG Rz. 419ff. Die Ziffern 1 und 2 wurden mWv 18.12.2019 mangels Anwendungsbereichs aufgehoben.[1] Denn zum einen sind alle staatlichen Notariate zum 1.1.2018 aufgelöst worden (Nr. 1) und zum anderen existieren zwischenzeitlich auch keine Selbstabgabestellen für Brillen und Brillenteile mehr (Nr. 2).

 

Rz. 65

Um die nationale Neuregelung auch an Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL anzupassen, wird aber nunmehr in § 2b Abs. 4 Nr. 5 UStG auf weitere in Anhang I der MwStSystRL genannte Tätigkeiten verwiesen. Damit ist unmittelbar nationalgesetzlich folgender Katalog von Tätigkeiten vom Besteuerungsprivileg für jPöR ausgeschlossen, sofern deren Umfang nicht unbedeutend ist:

  1. Telekommunikationswesen;
  2. Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität und thermischer Energie;
  3. Güterbeförderung;
  4. Hafen- und Flughafendienstleistungen;
  5. Personenbeförderung;
  6. Lieferung von neuen Gegenständen zum Zwecke ihres Verkaufs;
  7. Umsätze der landwirtschaftlichen Interventionsstellen aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die in Anwendung der Verordnungen über eine gemeinsame Marktorganisation für diese Erzeugnisse bewirkt werden;
  8. Veranstaltung von Messen und Ausstellungen mit gewerblichem Charakter;
  9. Lagerhaltung;
  10. Tätigkeiten gewerblicher Werbebüros;
  11. Tätigkeiten der Reisebüros;
  12. Umsätze von betriebseigenen Kantinen, Verkaufsstellen und Genossenschaften und ähnlichen Einrichtungen;
  13. Tätigkeiten der Rundfunk- und Fernsehanstalten, sofern sie nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. q MwStSystRL steuerbefreit sind.

Die Technik der dynamischen Verweisung auf den Katalog der MwStSystRL ("in der jeweils gültigen Fassung") vermeidet zwar nationalgesetzlichen Anpassungsbedarf für den Fall seiner Änderung. Diese Bequemlichkeit des Gesetzgebers erscheint aber nicht nur überflüssig, da dieser bereits in der 6. EG-Richtlinie enthaltene Katalog[2] jedenfalls bislang noch nie geändert worden ist. Sie geht auch zulasten der Transparenz und Befolgbarkeit der Regelung, zumal die Gesetzesbegründung zu den Tatbeständen des Leistungskatalogs keine Ausführungen enthält. Die einzelnen Tatbestände sind damit vom nationalen Gesetzgeber in keiner Weise konkretisiert worden.

 

Rz. 66

Die Annahme des Richtliniengebers und nunmehr auch des nationalen Gesetzgebers, dass bei der Art der unter § 2b Abs. 4 Nr. 5 i. V. m. Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 i. V. m. Anhang I Ziffern 1 bis 13 MwStSystRL genannten Umsätze generell von einer Wettbewerbsrelevanz auszugehen ist, welche zur Umsatzbesteuerung führt, ist bezüglich der unter Ziff. 2 bis 6 sowie 8 bis 12 genannten Leistungen ohne Weiteres nachvollziehbar, weil es sich um typische gewerbliche Tätigkeiten handelt. Insoweit hat der Katalog des § 2b Abs. 4 Nr. 5 UStG auch keine große eigenständige Bedeutung, sondern eher klarstellenden Charakter. Die genannten Tätigkeiten müssten ohnehin bereits nach § 2b Abs. 1 S. 2 UStG besteuert werden, wenn andernfalls größere Wettbewerbsverzerrungen zu befürchten wären, was bei den genannten Umsatzarten anzunehmen sein dürfte. In der Regel würden sie wohl aber auch in privatrechtlicher Form erbracht, weshalb § 2b UStG insoweit von vornherein von der Anwendung ausgeschlossen wäre.

 

Rz. 67

Der Begriff des "Telekommunikationswesens" nach § 2b Abs. 4 Nr. 5 i. V. m. Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 i. V. m. Anhang I Ziff. 1 MwStSystRL ist dagegen unklar. Er ist offensichtlich weiter als der der Telekommunikationsleistung; eine solche wäre nach landläufiger Betrachtung gewerblich und steuerpflichtig, ihre Nichtbesteuerung bei einer jPöR würde damit zweifelsfrei größere Wettbewerbsverzerrungen au...

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