Rz. 45

Nach Abs. 2 Nr. 2 liegen größere Wettbewerbsverzerrungen ebenfalls nicht vor, wenn vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte, Leistungen ohne Recht auf Option zur Steuerpflicht steuerfrei sind. Die Regelung kann sich m. E. nicht unmittelbar auf Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL stützen, wonach Mitgliedstaaten bestimmte steuerfreie Tätigkeiten als im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeführt behandeln können. Zwar genügt die Regelung der Bedingung der Ausdrücklichkeit, die der EuGH hinsichtlich der Umsetzung des Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL formuliert hat.[1] Ihr Regelungsgehalt geht aber über die unionsrechtliche Ermächtigung zur gesetzlichen Fiktion der Hoheitlichkeit hinaus und regelt bereits die negative Feststellung einer größeren Wettbewerbsverzerrung.[2] Inhaltlich kann die Rechtfertigung für die Wettbewerbsausnahme des § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG allerdings m. E. bereits aus dem Belastungsgrund des § 2b Abs. 1 UStG als solchem hergeleitet werden: die Besteuerung von jPöR ist nur erforderlich, um einen aus ihrer Nichtbesteuerung resultierenden Wettbewerbsnachteil eines Marktteilnehmers auszuschließen. Eine solche Benachteiligung liegt aber nicht vor, wenn die von der jPöR ausgeführte Leistung auch bei Erbringung durch einen privaten Unternehmer ohne Vorsteuerabzug nicht besteuert würde. Das ist bei unecht steuerfreien Umsätzen (vgl. § 15 Abs. 3 UStG), bei denen nicht zur Steuerpflicht optiert werden kann, der Fall. Soweit sich § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG seinem Wortlaut nach auch auf echte Steuerbefreiungen mit Vorsteuerabzug erstreckt (insbesondere § 4 Nr. 1 bis 7 UStG), dürfte er insoweit keinen Anwendungsbereich haben, da die darunter fallenden Leistungen typischerweise in privatrechtlicher Handlungsform erbracht werden.

 

Rz. 46

Mögliche Anwendungsfälle des § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG sind Leistungen, deren Steuerbefreiung in erster Linie an der Art der Leistung anknüpft, z. B. Kindergartenbeiträge nach § 4 Nr. 25 UStG oder Kursangebote gem. § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG. Die Regelung überschneidet sich allerdings mit bestimmten Steuerbefreiungen, die grundsätzlich öffentlichen Einrichtungen vorbehalten sind und privaten Unternehmern nur unter besonderen Bedingungen gewährt werden, wie etwa beim Betrieb von Krankenhäusern nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG oder von Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen nach § 4 Nr. 16 UStG. Sofern hier – wie meist – auf privatrechtlicher Grundlage gehandelt wird, ergeben sich daraus aber keine Friktionen, da insoweit § 2b UStG von vornherein nicht anwendbar ist. Handelt die jPöR dagegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, geht § 2b UStG systematisch vor. Danach dürfte die betroffene Tätigkeit der jPöR in diesen Fällen aber ebenfalls als unternehmerisch einzustufen sein, da sich die Bedingungen der Steuerbefreiung für private Unternehmer und für jPöR unterscheiden, sodass eine Wettbewerbsverzerrung infolge der Nichtbesteuerung der jPöR auf der abstrakten Prüfungsebene des § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.

 

Rz. 47

Von der Wettbewerbsausnahme außerdem ausdrücklich nicht erfasst sind optionsfähige Umsätze. Das ist folgerichtig, da bei diesen die auf der Ebene des Gesetzes notwendigerweise abstrakte Wettbewerbsbeurteilung daran scheitert, dass der Steuerbelastungsvergleich von der Optionsausübung einzelner Steuerpflichtiger abhängig ist. Zur Feststellung einer größeren Wettbewerbsverzerrung bei optionsfähigen Umsätzen ist es daher unerheblich, dass sich die Steuerpflicht einer Leistung des Privaten erst aus einem Verzicht nach § 9 UStG ergibt.[3] Laut Gesetzesbegründung soll die Beschränkung auf nichtoptionsfähige Umsätze Wettbewerbsverzerrungen zulasten der öffentlichen Hand vermeiden. Gemeint ist damit offenbar, dass den jPöR die Möglichkeit zur Option für bestimmte Umsätze nach § 9 UStG nicht genommen werden soll. Im Fokus dürften hier Grundstücksumsätze nach § 4 Nr. 12 S. 1 UStG stehen. Da diese aber regelmäßig auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge stattfinden, auf die § 2b Abs. 2 UStG ohnehin nicht anwendbar ist, ist die Gesetzesbegründung insoweit nicht sehr überzeugend.

 

Rz. 48

Systematisch führt die Nichtbesteuerung von Leistungen jPöR, die bei Privaten zwingend steuerfrei wären, nicht immer zu einer völligen steuerlichen Gleichstellung mit diesen. Denn die Nichtsteuerbarkeit von Umsätzen hat nicht in jeder Hinsicht die gleiche umsatzsteuerliche Behandlung zur Folge wie die Steuerbefreiung. Gegenstände können nämlich nach § 15 Abs. 1 S. 2 UStG nur zugeordnet werden, wenn sie zu mindestens zehn Prozent für das Unternehmen genutzt werden. Dabei sind nach m. E. zutreffender Auffassung sowohl die außerunternehmerische (private) Nutzung als auch die Verwendung für nichtwirtschaftliche, also z. B. hoheitliche Zwecke zu berücksichtigen. Dies gilt jedenfalls für Zeiträume ab 1.1.2016.[4] Für davor liegende Zeiträume fehlte eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage.[5] Wird der Mindestumfang der unternehmerischen Nutzung bei der jPöR nicht erreic...

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