Rz. 25

§ 2b Abs. 1 S. 1 UStG ist stark an Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL angelehnt. Die Neuregelung des § 2b UStG übernimmt damit auch die an der Systematik der MwStSystRL ausgerichteten Rechtsprechungsgrundsätze. Sie führt zu einer Abkopplung von der KSt und eigenständigen umsatzsteuerlichen Beurteilung von entgeltlichen Aktivitäten von jPöR, die nunmehr jeweils tätigkeitsbezogen zu erfolgen hat. Eine allgemeine Geringfügigkeitsgrenze oder generelle Ausnahmen für Vermögensverwaltungs- oder Beistandsleistungen gibt es nicht. Zentraler Maßstab ist vielmehr die Wettbewerbsrelevanz der Tätigkeiten (Rz. 31ff.).

 

Rz. 26

Die Unterscheidung zwischen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Handlungsform stellt die erste Weichenstellung bei der Beurteilung der Wettbewerbsrelevanz entgeltlicher Aktivitäten von jPöR dar. Der Gesetzgeber greift damit die von der Rechtsprechung zu § 2 Abs. 3 UStG und Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL entwickelte Differenzierung auf. Nur soweit die jPöR im Rahmen der öffentlichen Gewalt handelt, ist der Anwendungsbereich des § 2b UStG eröffnet (§ 2b Abs. 1 S. 1 UStG); für die Steuerbarkeit ist dann zusätzlich erforderlich, dass die betroffene Tätigkeit zu einer größeren Wettbewerbsverzerrung führt (§ 2b Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 2 bis 4 UStG). Handelt die jPöR dagegen privatrechtlich, ist die Sonderregelung des § 2b UStG nicht anwendbar und damit die Wettbewerbsrelevanz der Tätigkeit ohne Bedeutung. Die weitere Prüfung der Steuerbarkeit hat nach § 2 UStG zu erfolgen. Das dieser Differenzierung nach der gewählten Handlungsform entgegenstehende Urteil des FG Rheinland-Pfalz[1], das noch zu § 2 Abs. 3 UStG ergangen ist und – entgegen dem BFH – auch bei privatrechtlicher Handlungsform die Prüfung der Wettbewerbsrelevanz für möglich hielt, ist wegen Erledigung der Hauptsache im Revisionsverfahren gegenstandlos geworden und spätestens durch die Anpassung des Gesetzes an die handlungsformbezogene BFH-Rechtsprechung überholt. Bei der Wahl der Handlungsform ist die jPöR, sofern gesetzlich nichts anderes geregelt ist, frei. Die jPöR hat damit die Möglichkeit, die Steuerbarkeit ihrer entgeltlichen Aktivitäten zu gestalten.

 

Rz. 27

Der Begriff der öffentlichen Gewalt wird im Gesetz nicht näher definiert. Ausweislich der Gesetzesbegründung kommen nur solche Tätigkeiten für die Anwendung von § 2b UStG in Betracht, "bei denen die jPöR im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung tätig wird (z. B. aufgrund eines Gesetzes durch Verwaltungsakt, auf Grundlage eines Staatsvertrags oder auf Grundlage besonderer kirchenrechtlicher Regelungen)".[2] Nach den von der Rechtsprechung zu § 2 Abs. 3 UStG und Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL entwickelten Grundsätzen ist dafür entscheidend, dass die Tätigkeit das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen darstellt[3] und die jPöR nicht unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie private Wirtschaftsteilnehmer tätig ist.[4] Maßgeblich sind hierfür die im nationalen Recht vorgesehenen Ausübungsmodalitäten. Für die Anwendbarkeit des § 2b UStG erforderlich ist folglich eine öffentlich-rechtliche Handlungsform, insbesondere das Handeln durch Verwaltungsakt oder auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags. Nicht ausreichend ist dagegen, wenn die Tätigkeit nur ihren Grund im öffentlichen Recht hat, aber selbst nicht öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist (z. B. Erhebung privatrechtlicher Entgelte für ein gemeindliches Schwimmbad im Rahmen der Daseinsvorsorge.[5]  Von § 2b UStG erfasst werden beispielsweise die entgeltliche Gestattung der Nutzung einer Sporthalle[6] oder die Zuteilung eines Standplatzes, wenn sie jeweils öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist (z. B. durch Erhebung von in einer Gebührensatzung festgelegten Gebühren durch Verwaltungsakt). Das Gleiche gilt für den Betrieb eines Parkhauses mit öffentlicher Widmung, der allerdings im Wettbewerb erfolgt und daher dennoch steuerbar ist (Rz. 32).[7]

 

Rz. 28

Damit kommt der Frage, in welchen Fällen ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen werden kann, im Rahmen der Umsatzbesteuerung von jPöR nach § 2b UStG eine wichtige Bedeutung zu. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag setzt nach § 54 VwVfG voraus, dass ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts geregelt werden soll. Entscheidend sind Vertragsgegenstand und -zweck. Die Rechtsnatur des Vertrags bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist.[8] Insbesondere in folgenden Fällen ist der Vertragsgegenstand als öffentlich-rechtlich einzustufen[9]:

  • eine öffentlich-rechtliche Norm berechtigt zum Abschluss eines solchen,
  • öffentlich-rechtliche Normen regeln die Leistungspflichten,
  • er wird in Vollzug einer öffentlich-rechtlichen Norm geschlossen,
  • er enthält die Verpflichtung eines Vertragspartners zum Erlass einer hoheitlichen Handlung,
  • er tritt an die Stelle einer sonst möglichen Regelung durch Verwaltungsakt oder
  • er bezieht sich auf eine öffentlich-rechtliche Berechtigung oder Verpflichtung des ...

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