Rz. 18

Im Vorfeld der Gesetzesänderung zu § 2b UStG war schon frühzeitig von einem ausgedehnten Übergangszeitraum die Rede gewesen (Rz. 15), um den betroffenen jPöR die Umsetzung der Abkopplung von der langjährigen körperschaftsteuerlichen Betrachtungsweise zu erleichtern und ausreichend Zeit einzuräumen, sich auf die neue Rechtslage einzustellen sowie die Strukturen zu schaffen, die eine gesetzeskonforme Umsatzbesteuerung künftig sicherstellen. Gedacht war ursprünglich an ein rein zeitliches Hinausschieben des Inkrafttretens der Neuregelung. Nach Art. 18 Nr. 4 des Steueränderungsgesetzes 2015 ist aber § 2b UStG bereits zum 1.1.2016 in Kraft und mit Ablauf des 31.12.2015 der bisherige § 2 Abs. 3 UStG außer Kraft getreten. Zur zeitlichen Wirkung der Vorschriften enthält das Gesetz in § 27 Abs. 22 UStG zugleich eine komplizierte Anwendungsbestimmung.[1] Sie sieht vor, dass der alte § 2 Abs. 3 UStG noch ein Jahr fortwirkt und die Wirkung des neuen § 2b UStG um ein Jahr hinausgeschoben wird. Damit soll erreicht werden, dass der Wechsel zur neuen Rechtslage im Ergebnis erst frühestens ab 1.1.2017 stattfindet. JPöR konnten sich im Jahr 2016 per Optionserklärung entscheiden, die Anwendung des neuen § 2b UStG noch weiter bis zum Jahr 2021 hinauszuschieben. Eine wirksam bis 31.12.2016 abgegebene Optionserklärung zur Weitergeltung des alten Rechts kann jederzeit mit Wirkung ab Beginn eines auf die Optionsabgabe folgenden Kalenderjahres widerrufen und damit vorzeitig zum neuen Recht übergegangen werden. Der Gesetzeswortlaut lässt damit einen (auch rückwirkend möglichen) Widerruf der Optionserklärung bereits mit Wirkung ab dem 1.1.2017 zu. Hat die jPöR im Jahr 2016 keine Option zur Weitergeltung des alten Rechts ausgeübt, war für sie ab 1.1.2017 ohne weiteres Zutun § 2b UStG obligatorisch anzuwenden. Eine Möglichkeit, die Erklärung nachzuholen oder für einzelne Veranlagungszeiträume gesondert auszuüben, sieht die Regelung nicht vor.

 

Rz. 18a

Mit Beschluss vom 20.12.2019[2] hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, die Übergangsregelung um weitere zwei Jahre bis zum 31.12.2022 zu verlängern. Er begründet dies mit einer großen Verunsicherung der Kommunen hinsichtlich der Anwendung der Neuregelung sowie unzureichenden Auslegungs- und Anwendungshilfen zu § 2b UStG. Ersteres ist angesichts des ohnehin extrem langen Übergangsszenarios, welches § 27 Abs. 22 UStG vorsieht, schon nicht leicht nachvollziehbar. Zweiteres hätten aber jedenfalls die Länder (gemeinsam mit dem BMF) selbst in der Hand gehabt. Durch das sog. Corona-Steuerhilfegesetz[3] ist der Bundestag dieser Bitte des Bundesrats gefolgt und hat § 27 UStG um einen neuen Abs. 22a ergänzt, wonach die wirksame Optionserklärung nach Abs. 22 zur Weitergeltung des alten Rechts auch für Leistungen nach dem 31.12.2020 und vor dem 1.1.2023 gilt, wenn die Erklärung für vor dem 1.1.2021 endende Zeiträume nicht widerrufen worden ist. In einer "namhaften Zahl" von Fällen seien nicht rechtzeitig alle erforderlichen Maßnahmen getroffen worden, weshalb das am 31.12.2020 drohende Ende der Übergangsfrist nachhaltige Folgen für die interkommunale Zusammenarbeit, die Daseinsvorsorge und die Leistungsfähigkeit insbesondere der Kommunen habe. Diese Situation, so die Gesetzesbegründung, habe sich durch die COVID-19-Pandemie "deutlich verschärft", weil die Kommunen mit der Krisenbekämpfung stark belastet und die Arbeiten zur Umsetzung der Neuregelung des § 2b UStG zum "Erliegen gekommen" seien. In dem seit 2016 laufenden Übergangszeitraum sei eine wesentliche Wettbewerbsverzerrung nicht feststellbar gewesen. Die EU-Kommission habe die Verlängerung der Übergangsregelung nicht beanstandet.

 

Rz. 18b

Die Gesetzesbegründung ist fadenscheinig. Der wahre Grund für die Fristverlängerung dürfte die schleppende Umsetzung des § 2b UStG durch die öffentlichen Einrichtungen und die Verschärfung der Verwaltungsauffassung zu § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG (Rz. 62a) sein. Nachdenklich stimmt auch, dass sich Bundesrat und Bundestag erneut haben vor den Karren spannen lassen, um den Eintritt der unionsrechtlich angeordneten, aber in Deutschland politisch offenbar unerwünschten Rechtsfolgen entgeltlicher Leistungen der öffentlichen Hand hinauszuzögern, ohne dass eine deutsche Initiative bekannt geworden wäre, die zugrundeliegende unionsrechtliche Vorgabe in der MwStSystRL zu ändern, um dem Umsetzungsdilemma zu entgehen. Der Corona-Virus, von dem der Bundesrat bei seiner Verlängerungsbitte im Dezember 2019 noch gar nichts wissen konnte, mag für Manches verantwortlich sein, mit der zögerlichen Umsetzung des Art. 13 MwStSystRL in Deutschland hat er jedenfalls nichts zu tun.

 

Rz. 18c

Ungeachtet der vorgenannten steuerpolitischen Kritik wirft § 27 Abs. 22a UStG die Rechtsfrage auf, ob es möglich ist, eine Willenserklärung, die Option bis 31.12.2020 ausüben zu wollen, per Gesetz dahingehend zu modifizieren, dass diese nun auch für Leistungen nach diesem Stichtag für weitere zwei Jahre fortgilt. Zwar soll dies nach § 27 A...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge