Rz. 13

Eine Anpassung des § 2 Abs. 3 UStG an die unionsrechtlichen Vorgaben war zwar schon lange, u. a. auch vom Bundesrechnungshof[1], gefordert worden. Der Gesetzgeber konnte sich aber über geraume Zeit nicht zu einer Gesetzesänderung durchringen. Es wäre wohl nicht besonders fernliegend, die Gründe dafür weniger in rechtssystematischen als in politischen Bedenken zu suchen, zumal von der unionsrechtlich gebotenen Ausweitung der Steuerbarkeit auch die an der Gesetzgebung beteiligten Gebietskörperschaften Bund, Länder und Stadtstaaten selbst unmittelbar betroffen sind. Das gesetzliche Umsetzungsdefizit ermöglichte es den betroffenen jPöR, sich im Rahmen des Anwendungsvorrangs von EU-Recht, je nachdem, was günstiger war, zum Zweck des Vorsteuerabzugs auf das Unionsrecht zu berufen[2] oder zur Vermeidung einer Umsatzsteuerbelastung weiterhin das nationale UStG anzuwenden, an das sich die Verwaltung gebunden sah. Der BFH versuchte zwar offenbar, das Versäumnis des Gesetzgebers durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des geltenden Rechts zu heilen. Einer gesetzlichen Änderung zum Zweck der Anpassung an das Unionsrecht hätte es danach nicht mehr bedurft. Die durch die Rechtsprechung vorgenommene Auslegung konnte die Berufungsmöglichkeit auf jeweils günstigeres Recht aber deshalb nicht beenden, weil die Finanzverwaltung der Rechtsauffassung des BFH lange Zeit nicht folgte; die meisten BFH-Urteile wurden erst 2017 im BStBl veröffentlicht.[3] Abschn. 23 UStR und die Nachfolgeregelung in Abschn. 2.11 UStAE wurden insoweit bis heute nicht an die Rechtsprechung angepasst.[4] JPöR hatten damit nunmehr die Wahl zwischen der Berufung auf die Verwaltungsauffassung (Besteuerung nur im Rahmen von BgA) oder – für Zwecke des Vorsteuerabzugs – auf die unionsrechtliche Auslegung des UStG. Die Verwaltung ließ allerdings – insoweit zutreffend – nur eine einheitliche Wahlrechtsausübung für das Gesamtunternehmen zu, weil der Rahmen des Unternehmens einheitlich entweder nach der MwStSystRL oder dem UStG zu bestimmen sei.[5]

 

Rz. 14

Diese Meistbegünstigungssituation durch Berufung auf die von der Rechtsprechung für die USt verworfenen körperschaftsteuerlichen Begünstigungsmöglichkeiten war allerdings nicht völlig risikofrei. Denn der in Art. 13 Abs. 2 der MwStSystRL enthaltene Grundsatz der steuerlichen Neutralität begründet ein subjektiv-öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz. Im Rahmen von Konkurrentenklagen konnte daher eine Besteuerung der jPöR[6] oder zumindest eine Auskunftserteilung über die Besteuerung der jPöR[7] erzwungen werden.

[1] Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO zur umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand – Vorschläge für eine EG-konforme Besteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts – v. 2.11.2004, BT-Drs. 15/4081, 4.
[2] EuGH v. 17.10.1989, Rs. 231/87 und 129/88, "Commune di Carpaneto Piacentino u. a.", UR 1991, 77; EuGH v. 4.6.2009, C-102/08, SALIX Grundstücks-Vermietungsgesellschaft, UR 2009, 484.
[3] EuGH v. 16.9.2008, C-288/07, Isle of Wight Council, UR 2008, 816; EuGH v. 4.6.2009, C-102/08, SALIX Grundstücksvermietungsgesellschaft, UR 2009, 484.
[4] Die beiden Urteile BFH v. 20.8.2009, V R 30/06, BStBl II 2010, 863 und BFH v, 3.3.2011, V R 23/10, BStBl II 2012, 74 wurden zwar im BStBl veröffentlicht; dies geschah aber offenbar mit Blick auf andere in den Urteilen entschiedene Fragen und nicht mit dem Ziel der Übernahme der dort geäußerten Rechtsgrundätze zur Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand; vgl. auch Widmann, DStZ 2014, 147 m. w. N.
[7] EuGH v. 8.6.2006, C-430/04, Feuerbestattungsverein Halle, UR 2006, 459, bzw. BFH v. 5.10.2006, VII R 24/03, BStBl II 2007, 243.

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