Rz. 66

Eine umsatzsteuerliche Mehr- oder Minderbelastung kann sich auch aus dem Verschulden eines der Vertragspartner ergeben. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn einer der Vertragspartner in Verzug gerät. Durch den Verzug kann die Leistung erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht werden. Dadurch kann sich eine höhere oder niedrigere Umsatzsteuerbelastung ergeben, wenn zwischen dem vereinbarten Ausführungstermin und dem tatsächlichen Ausführungstermin eine Gesetzesänderung in Kraft tritt. Auch in diesen Fällen ist – wenn die weiteren Voraussetzungen des § 29 UStG vorliegen – ein Ausgleichsanspruch nach § 29 UStG gegeben, da die Gründe für eine Ausführung der Leistung nach der Gesetzesänderung für die Anwendung des § 29 UStG keine Rolle spielen. Da der Ausgleichsanspruch nach § 29 UStG aber eine zivilrechtliche Forderung darstellt, muss der in Verzug geratene Vertragspartner den Verzugsschaden nach § 286 BGB ausgleichen.

 

Rz. 67

Hier sind zwei Fälle grundsätzlich zu unterscheiden:

  • Der leistende Unternehmer gerät in Leistungsverzug (Schuldnerverzug): Eine Leistung kann durch Verschulden des leistenden Unternehmers erst nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung erbracht werden. Wenn keine anderen Vereinbarungen getroffen worden sind und der Vertrag vor mehr als vier Monaten vor Inkrafttreten des Gesetzes oder der Gesetzesänderung geschlossen worden ist, hat der leistende Unternehmer einen Anspruch auf Ausgleich der Mehrbelastung nach § 29 UStG. Der Leistungsempfänger hat aber einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 286 BGB, sodass er im Ergebnis von der Mehrbelastung freigestellt ist.
 
Praxis-Beispiel

Fensterbauer F hatte sich mit Vertrag v. 1.7.2020 verpflichtet, in ein Einfamilienhaus neue Fenster bis zum 15.12.2020 einzubauen. Wegen von ihm zu vertretender Umstände konnte die Leistung erst am 15.2.2021 erbracht werden. Der gesamte Umsatz ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 12 Abs. 1 UStG mit 19 % der USt zu unterwerfen. Der Fensterbauer hat nach § 29 UStG einen Anspruch auf Ausgleich der Mehrbelastung. In gleicher Höhe muss er sich allerdings einen Verzugsschaden nach § 286 BGB zurechnen lassen.

  • Der Leistungsempfänger gerät in Verzug (Gläubigerverzug): Eine Leistung kann durch Verschulden des Leistungsempfängers erst nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung erbracht werden. Ein Ersatz der dadurch entstehenden höheren Umsatzsteuerbelastung kommt wohl nach § 304 BGB (Ersatz von Mehraufwendungen) nicht infrage, da die zusätzliche Umsatzsteuerbelastung nicht zu den Aufwendungen für "das erfolglose Angebot, sowie für die Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstands" gehört.[1]  Ein Ausgleich der Mehrbelastung wird aber nach § 280, § 281 und § 286 Abs. 1 BGB als Schadensersatz auch dann von dem leistenden Unternehmer verlangt werden können, wenn die Anwendung des § 29 UStG vertraglich ausgeschlossen worden ist.
[1] Kaeser/Charissé, DB 1998, 163.

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