Rz. 41

Der klassische Anwendungsfall für einen Ausgleich nach § 29 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 UStG ist die Änderung des anzuwendenden Steuersatzes. Als mögliche Ursachen einer solchen Änderung kommen in Betracht:

  • Erhöhung oder Verringerung des allgemeinen Steuersatzes und/oder des ermäßigten Steuersatzes. Die letzte reguläre Änderung des Regelsteuersatzes nach § 12 Abs. 1 UStG erfolgte mWv 1.1.2007 von 16 % auf 19 %. Da sich die Rechtsvorschrift des § 29 Abs. 1 UStG auf die Änderung beim UStG 1980 (Rz. 6) bezieht, kann sich dieser Anspruch auf Ausgleich nur aus der Anwendung des § 29 Abs. 2 UStG ergeben. Dies gilt entsprechend für die zum 1.7.2020 erfolgte temporäre Steuersatzabsenkung und die sich daran anschließende Wiederanhebung zum 1.1.2021.
  • Ein bisher mit dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG besteuerter Umsatz wird mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 UStG besteuert. Hier haben sich in den vergangenen Jahren diverse Veränderungen zur Ausweitung der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ergeben. So erfolgte mWv 1.1.2008 (durch das Jahressteuergesetz 2008) die Einbeziehung der Beförderung mit Bergbahnen, mit Drahtseilbahnen sowie mit anderen mechanischen Aufstiegshilfen in den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG. Zum 1.1.2010 wurde der ermäßigte Steuersatz für die kurzfristige Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer für die Beherbergung von Fremden bereithält, eingeführt (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG). Zum 18.12.2019 ist in § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG die Überlassung von E-Books und E-Papers (als Gleichstellung mit gedruckten Werken) in den ermäßigten Steuersatz einbezogen worden. Mittelbar – über eine Erweiterung der Anlage 2 zum UStG um eine lfd. Nr. 55 – sind seit dem 1.1.2020 auch Produkte, die der Monatshygiene dienen, in den ermäßigten Steuersatz überführt worden. Der Schienenbahnverkehr ist ebenfalls seit dem 1.1.2020 – unabhängig der Länge der Beförderungsstrecke – dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen.[1] Zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie im Gastronomiebereich ist – temporär für alle Umsätze in der Zeit vom 1.7.2020 bis 30.6.2021 – der Steuersatz für die Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (mit Ausnahme der Abgabe von Getränken) auf den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG abgesenkt worden.
  • Ein bisher mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 UStG besteuerter Umsatz wird mit dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG besteuert. Ein solcher Fall ergab sich zum 1.1.1982 mit dem Wegfall des ermäßigten Steuersatzes für Angehörige freier Berufe nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG a. F. und für die ihrer Art nach freiberuflichen Umsätze anderer Unternehmer nach § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG a. F. Zum 1.1.2012 ist die generelle Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bei der Beförderung von Personen mit Schiffen[2] aufgehoben worden, sodass der ermäßigte Steuersatz nur noch in den Fällen der Beförderung in einer Gemeinde oder innerhalb von 50 Kilometern im genehmigten Linienverkehr oder im Fährverkehr infrage kommt. Aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben ist zum 1.7.2012 die Lieferung, der innergemeinschaftliche Erwerb und die Einfuhr von Pferden aus dem ermäßigten Steuersatz ausgenommen worden, sodass der Regelsteuersatz anzuwenden ist.
  • Eine weitere – theoretische – Möglichkeit besteht in der Einführung eines weiteren (zweiten) ermäßigten Steuersatzes nach Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL.
 

Rz. 42

Zum 1.1.2014 hatten sich weitere Änderungen bei der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ergeben: Die bis 31.12.2013 geltende Ermäßigung des Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 i. V. m. den Nr. 49 Buchst. f, Nr. 53 und Nr. 54 der Anlage 2 zum UStG verstieß gegen die verbindlichen Vorgaben des Unionsrechts, indem sie uneingeschränkt auf sämtliche Umsätze und die Vermietung dieser Gegenstände anwendbar war. Der Verstoß betraf insbesondere den gewerblichen Kunsthandel sowie die Vermietung von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken. Mit den Änderungen sind die im UStG enthaltene Steuerermäßigung für Kunstgegenstände und Sammlungsstücke auf das unionsrechtlich zulässige Maß beschränkt worden. Die Änderungen haben insbesondere die Lieferungen von Sammlungsstücken sowie die Vermietung von Sammlungsstücken und Kunstgegenständen von der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes ausgeschlossen. Diese Umsätze unterliegen seit dem 1.1.2014 dem Regelsteuersatz. Die Änderung betraf die folgenden bisher uneingeschränkt ermäßigt besteuerten Lieferungen, innergemeinschaftlichen Erwerbe und Einfuhren von:

  • lfd. Nr. 49 Buchst. f der Anlage 2 zum UStG: Briefmarken und dgl. (z. B. Ersttagsbriefe, Ganzsachen) als Sammlungsstücke;
  • lfd. Nr. 53 der Anlage 2 zum UStG: Kunstgegenstände;
  • lfd. Nr. 54 der Anlage 2 zum UStG: Sammlungsstücke.

Weiterhin ist der ermäßigte Steuersatz aber anwendbar für die Einfuhr von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken, § 12 Abs. 2 Nr. 12 UStG sowie nach § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG für die Lieferungen und innergemeinschaftli...

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