Rz. 93

Prüfungshandlungen durch die sogenannte Betriebsnahe Veranlagung (BNV) oder die (seltenen) Sachverhaltsermittlungen durch einen Veranlagungsbeamten stellen Ermittlungen eines steuerlich relevanten Sachverhalts nach den §§ 85ff. der Abgabenordnung dar, sofern denn die BNV nicht durch Prüfungsanordnung angeordnet wurde.[1] Zu beachten ist, dass auch im Rahmen solcher Maßnahmen gem. § 99 AO unter beschränkten Voraussetzungen Grundstücke und Räume betreten werden dürfen und dies unter bestimmten weiteren Bedingungen auch ohne Ankündigung. Auf einen ersten Blick erscheint es deshalb so, als ob eine große Ähnlichkeit zu den Möglichkeiten der Ermittlungen bei einer Umsatzsteuer-Nachschau besteht.

 

Rz. 93a

Tatsächlich ist die Regelung des § 27b UStG aber einerseits weiter, weil sie auch aktuelle, steuerlich noch nicht veranlagte Sachverhalte zum Gegenstand haben kann. Die Ermittlungen nach den §§ 85ff. AO richten sich dagegen i. d. R. punktuell auf die Aufklärung bestimmter zweifelhafter und bisher nicht geklärter steuerlicher Sachverhalte, welche auch zumeist bereits abgeschlossen sind.[2] Inhaltlich weiter dürfte auch das unangekündigte Betretensrecht in § 27b UStG sein; zwar verwendet § 99 AO für das Betreten von Wohnräumen dieselbe Formulierung wie § 27b Abs. 1 S. 2 UStG, wonach dies gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung möglich ist.

 

Rz. 93b

Die Anwendung des § 99 AO erfordert aber im Unterschied zur Umsatzsteuer-Nachschau, dass die betroffenen Personen eine angemessene Zeit vorher benachrichtigt werden sollen. Diese Benachrichtigung darf nur in Ausnahmefällen unterbleiben, insb. wenn zu befürchten ist, dass der Betroffene den Gegenstand des Augenscheins verändern oder vernichten will.[3] Dass dies im Vorfeld einer Maßnahme i. d. R. kaum feststellbar sein wird, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Darüber hinaus führt diese Beschränkung der Maßnahmen des § 99 AO dazu, dass solche Ermittlungen bei bestimmten Sachverhalten – insb. bei solchen, die Anlass der Schaffung des § 27b UStG waren – von nur beschränktem Nutzen sind.[4] Hier sieht die Umsatzsteuer-Nachschau – mit der weitgehend unbeschränkten Möglichkeit eines unangekündigten Besuchs mit einem gesetzlich vorgeschriebenen Betretensrecht (Rz. 4ff.) – ein wesentlich wirkungsvolleres Prüfungsinstrument vor, das andererseits aber auch intensiver in die Rechte der Betroffenen eingreift.

 

Rz. 94

§ 27b UStG ist allerdings im Anwendungsbereich gegenüber § 99 AO insoweit beschränkt, weil die Maßnahme ihren Anlass nur in der USt haben darf. Andererseits darf eine Umsatzsteuer-Nachschau bereits dann durchgeführt werden, wenn steuerlich noch gar nichts erklärt ist, sozusagen im Vorfeld der Abgabe zukünftiger Steuererklärungen zur Erforschung unbekannter Sachverhalte.[5] Die Finanzbehörde muss also nicht zuwarten, bis ein steuerlicher Sachverhalt abgeschlossen ist und kann schon vorher ohne Ankündigung erscheinen. Im Ergebnis haben das Betretensrecht und die Umsatzsteuer-Nachschau daher zwar Ähnlichkeiten, im Anwendungsbereich unterscheiden sie sich aber deutlich. Insoweit sind Abgrenzungsprobleme kaum denkbar, solange der Finanzbeamte seine Maßnahme nur richtig bezeichnet.

[1] Dann gelten dieselben Regeln wie bei einer Betriebsprüfung.
[2] Baumgartner, in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 27b UStG Rz. 39.
[3] Schmitz, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 99 AO Rz. 15 und Schuster, in HHSp, AO, § 99 AO Rz. 29f. jeweils m. w. N.
[4] Weil z. B. die (angeblich) unternehmerisch genutzten Räume vor der Prüfung für diesen Anlass hergerichtet werden können.
[5] So auch Leipold, in Sölch/Ringleb, UStG, § 27b UStG Rz. 6.

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