Rz. 64

Im Umkehrschluss zu § 27b Abs. 1 S. 2 UStG ist das Betreten von Wohnräumen im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau dann zulässig, wenn der Betroffene den Prüfer freiwillig einlässt. Das erscheint auf einen ersten Blick durchaus systemgerecht, doch wirft es auf einen zweiten Blick viele Fragen auf, weil der Begriff der Freiwilligkeit durchaus weit ist. Voraussetzung der Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau ist zunächst, dass der Prüfer einen mit dem Zweck der jeweiligen Nachschau zu begründenden Anlass haben muss, die konkreten Räume betreten zu wollen, etwa weil das Unternehmen dort betrieben wird oder weil angebliche Geschäftsräume (z. B. innerhalb eines Wohnhauses) des Unternehmens nicht vorhanden sein sollen. Zweitens – und das ist die hier relevante Frage – muss der Inhaber dieser Räume auch tatsächlich freiwillig dem Betreten zugestimmt haben. Diesem Tatbestandsmerkmal kommt demnach im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau erhebliche Bedeutung zu.[1] Zur Verdeutlichung der Probleme mögen in Fortführung des in Rz. 42 genannten Beispiels folgende Beispiele dienen:

 
Praxis-Beispiel
  1. A ist zu dem Zeitpunkt, als ein Prüfer zur Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau an seiner Wohnung erscheint, nicht anwesend. In der auch unternehmerisch genutzten Wohnung trifft der Prüfer aber die polnische Freundin des A an, welche der deutschen Sprache kaum mächtig ist. Diese lässt den Prüfer herein, ohne verstanden zu haben, worum es geht.
  2. Der Prüfer trifft nur den siebenjährigen Sohn des A an, auch dieser lässt den Prüfer herein.
 

Rz. 65

Zunächst ist hier festzustellen, wer denn mit dem "Inhaber" einer Wohnung gemeint ist. Grundsätzlich erscheint damit jeder als Berechtigter, der sich in den Räumen aufhält, solange ein widerrechtliches Betreten/Aufhalten nicht geradezu offensichtlich ist.[2] Damit kommen aber als "Inhaber" allgemein auch minderjährige Kinder oder etwa die demenzkranke Großmutter infrage. Das Gesetz und die Verwaltungsanweisung in Abschn. 27b.1 UStAE gehen auf solche Fragen nicht ein, obwohl sie durchaus praxisrelevant erscheinen. M. E. muss jedenfalls wegen des besonderen Schutzbereiches des Art. 13 GG eine erste dahingehende Beschränkung gelten, dass erkennbar geschäftsunfähige Personen nicht "freiwillig" das Recht zum Betreten von Räumen im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau aussprechen können. In der zweiten Beispielvariante würde ein eventuelles Betreten daher ohne wirksame Zustimmung des Inhabers erfolgen.

 

Rz. 66

Demnach können die minderjährigen Kinder des Steuerpflichtigen, die etwa vormittags allein in den gemischt genutzten Räumen des Steuerpflichtigen angetroffen werden, nicht wirksam den Zutritt gewähren. Der Prüfer muss hier außerhalb der Räume warten, bis der Steuerpflichtige oder eine andere volljährige Person eintrifft oder er muss die Nachschau zunächst abbrechen. Im Anschluss daran ist zu fragen, was z. B. mit der "überrumpelten" Ehefrau oder vermeintlichen Lebensgefährtin des Steuerpflichtigen ist? Hier sind durchaus Zweifel angebracht, ob der Einlass durch eine solche Person noch uneingeschränkt als freiwillig zu qualifizieren ist, wenn diese die Beamten lediglich ohne Widerspruch einlässt, tatsächlich aber – wie im ersten Beispiel – gar nicht versteht, worum es bei dieser Maßnahme geht. M. E. sind hier aber weitere Abgrenzungsmerkmale, etwa nach der "individuellen Aufmerksamkeitsfähigkeit" eines Angetroffenen nicht tauglich, denn in dieser Hinsicht lassen sich kaum praktikable Kriterien aufstellen.

 

Rz. 67

Die genannten Beispiele verdeutlichen, dass das Merkmal der Freiwilligkeit differenziert zu bewerten ist. Kann wirklich allgemein von einem freiwilligen Betretenlassen gesprochen werden, wenn z. B. zwei "gestandene" Beamte vor der Tür stehen und unvermittelt mit dem Hinweis auf die Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau Einlass begehren, ohne dass diese auch nur einen Hauch von Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Begehrens aufkommen lassen? In diesen Fällen muss auf den Einzelfall abgestellt werden, und die Beamten sollten solchen Sachverhalten mit der gebotenen Sensibilität entgegentreten, was in der Praxis nicht immer einfach ist. Festzuhalten bleibt, dass eine "Freiwilligkeit" beim Betreten von gemischt genutzten Räumen jedenfalls nicht schon dann zu bejahen ist, wenn ein Zutritt ohne einen Widerspruch des Betroffenen oder die Anwendung von unmittelbarem Zwang gewährt wurde. Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass ein bloßes "Hereinlassen" dem Prüfer wenig zur Erfüllung seiner Aufgabe hilft; da er nicht zur Durchsuchung der Räume berechtigt ist (Rz. 31). Was soll er also tun, wenn er etwa der, der deutschen Sprache nicht mächtigen Lebensgefährtin des Unternehmers gegenübersteht und er ihr nicht erklären kann, dass er die Geschäftsunterlagen anschauen möchte? M.E. bleibt in einem solchen Fall nur der unmittelbare Abbruch der Umsatzsteuer-Nachschau.

 

Rz. 68

Im Ergebnis dürfte die Grenze der "Freiwilligkeit" jedenfalls dann überschritten sein, wenn die in der Wohnung ange...

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