Rz. 37

Bezogen auf die Umsatzsteuerbetrugsfälle[1] kann der Tatbestand der gewerbsmäßigen Begehung des § 26c UStG insbesondere bei dem "missing trader"[2], der USt in seinen Rechnungen offen aufweist, diese dann (ausnahmsweise) anmeldet[3], aber dann nicht bezahlt, einschlägig sein. Die Qualifikation eines Unternehmens als missing trader ist allerdings in der Praxis bei Weitem nicht so einfach, wie es auf einen ersten Blick erscheinen mag. Derartige Steuerpflichtige werden dies zumeist nicht freiwillig einräumen und die Bandbreite der denkbaren Fallkonstellationen ist hier groß. Ob entsprechende Fälle wirklich anzutreffen sein werden – jedenfalls mit Blick auf § 26c UStG –, kann bei der heutigen Rechtslage mit guten Gründen bezweifelt werden, denn solche Rechtssubjekte werden die Anmeldung der USt solcher Umsätze zumeist (mit guten Gründen) vermeiden[4]; sie bleiben lieber unerkannt und verhindern so die "Neugier" (Aufmerksamkeit) der Finanzbehörden für einen längeren Zeitraum (Rz. 41 und Rz. 11a).

 

Rz. 38

Im klassischen Fall des missing trader – der wohl auch bei Schaffung der §§ 26b (jetzt § 26a Abs. 1), 26c UStG Hintergrund der Einführung dieser Vorschriften war – ist die Fallkonstellation so gestaltet, dass der missing trader zu einer Zahlung der von ihm in seiner Rechnung ausgewiesenen USt niemals in der Lage ist, schon weil dieser Unternehmer i. d. R. die Nettorechnungen in Bruttorechnungen umgewandelt hat.[5] Dieser missing trader ist häufig ein von einem Dritten "installierter und kontrollierter" Unternehmer, dessen einzige Funktion die Ausstellung von Rechnungen mit dem Ausweis von Umsatzsteuer ist.[6] Bei jedem reellen wirtschaftlichen Handeln würde ein derartiges Vorgehen immer einen unternehmerischen Verlust hervorrufen, demnach ist dieser "klassische" missing trader praktisch bereits nach seinen ersten Umsätzen zahlungsunfähig. Er kann nur deshalb über einen gewissen Zeitraum hinweg "unternehmerisch" tätig werden, weil er nie beabsichtigt hat, die von ihm in seinen Rechnungen ausgewiesene USt an die Finanzbehörden zu bezahlen. Das Berufen auf die Zahlungsunfähigkeit kann hier deshalb i. d. R. nicht zur Straffreiheit führen, denn schon die Kalkulation solcher Preise zeigt, dass die Nichtzahlung der Steuer vorsätzlich in die kriminellen Geschäfte eingeplant war.[7]

 

Rz. 39

Bei der geschilderten Fallkonstellation ist allerdings zu beachten, dass es bei einer solchen (klaren) Beweislage der neuen Vorschrift des § 26c UStG zur Bekämpfung des Karussellbetrugs nicht unbedingt bedarf, denn hier liegt oft bereits eine Strafbarkeit nach § 370 AO – und zwar im Zusammenhang mit strafrechtlichen Teilnahmehandlungen – vor[8], denn dieser Unternehmer – der missing trader – leistet jedenfalls Beihilfe zur Steuerhinterziehung seines Abnehmers, selbst wenn er selber die Steuer angemeldet hatte. Wenn die Begehung dieser Straftat nicht beweisbar sein sollte, dann wird wohl für den Tatbestand des § 26c UStG Gleiches gelten. Selbst wenn die "Fremdsteuerung" und der Zusammenhang der Beteiligten beweisbar sein sollten[9], ist fraglich, ob es dem missing trader auch nachzuweisen ist, dass er sich vorsätzlich zur Zahlung der Steuerschuld außerstande gesetzt hat. In der Praxis sind die Sachverhalte nämlich zumeist nicht so eindeutig, wie sie für den oben genannten missing trader dargestellt wurden. Eine solche (eindeutige) Zahlungsunfähigkeit mag z. B. bei dem (früheren) "Rechnungsschreiber" im Schrotthandel nachweisbar sein, der etwa weder über Führerschein, Fahrzeug oder sonstige Geschäftseinrichtungen verfügte.[10] In den meisten anderen Fällen sind solche Nachweise aber nur schwer zu führen.

 

Rz. 40

Zusammengefasst gilt für den Fall des missing traders mit Blick auf § 26c UStG Folgendes: Sollte dieser die von ihm in Rechnungen ausgewiesene USt anmelden[11] und bei Fälligkeit nicht zahlen, dann wird er sich i. d. R. zunächst auf Zahlungsunfähigkeit berufen. Nur wenn ihm dann nachzuweisen ist, dass er sich vorsätzlich zur Zahlung der Steuer außerstande gesetzt hat, ist eine Strafbarkeit nach § 26c UStG beim Vorliegen der sonstigen Tatbestandsmerkmale möglich. Beweisschwierigkeiten ergeben sich hier insbesondere, wenn der Unternehmer gar nicht weiß, was er für Geschäfte betrieben haben soll, etwa weil er nur seinen Namen hergegeben und beliebig Unterschriften geleistet hat.[12] Die sich hier anschließenden Rechtsprobleme können vielfältig sein und sie lassen sich m. E. auch mit § 26c UStG kaum lösen, denn wenn dieser Unternehmer nicht weiß, was für Umsätze unter seinem Namen getätigt wurden, dann kann er sie auch nicht beim Finanzamt anmelden.

 

Rz. 41

Als "Auffangtatbestand" kann hier u. U. eine Ordnungswidrigkeit nach § 26a Abs. 1 UStG vorwerfbar sein. Tatsächlich ist aber anzunehmen, dass aktuell von der vermeintlichen Gesetzeslücke (Rz. 3) – die Anlass zur Schaffung des § 26c UStG war – wenig "Gebrauch" gemacht wird. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass derjenige missing trader, der seine i. d. R. hohen Ausgangsleistungen in ...

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