Rz. 316
In der mWv 1.1.2022 eingeführten Regelung des § 24 Abs. 5 UStG (Rz. 26a) hatte der Gesetzgeber den Vorgaben des Artikels 298 MwStSystRL Rechnung getragen und hatte die Methode zur Berechnung der Durchschnittssätze nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und S. 3 UStG im Gesetz verankert (Rz. 9 und 35). Danach hatte das BMF jährlich die Höhe des Durchschnittssatzes zu prüfen (Monitoring) und dem Bundestag dazu zu berichten. Soweit der so ermittelte, auf eine Nachkommastelle kaufmännisch auf- oder abgerundete Durchschnittssatz eine Anpassung des gesetzlich geregelten Durchschnittssatzes erforderte, hatte die Bundesregierung kurzfristig einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Diese etwas ungewöhnlich wirkende gesetzliche Verpflichtung der Bundesregierung zur Vorlage eines Gesetzentwurfs erklärt sich damit, dass mit dieser Regelung u. a. die Vertragsverletzungsklage C-57/20 abgewendet werden sollte.
Zur Berechnung des Durchschnittssatzes waren die Vorsteuern aller pauschalierenden Landwirte zu den Umsätzen aller pauschalierenden Landwirte eines Dreijahreszeitraums ins Verhältnis zu setzen (gewichteter Mittelwert). Da die Vorsteuerbelastung der Pauschallandwirte anhand der landwirtschaftlichen Gesamtrechnung (LGR) und der Umsatzsteuerstatistik ermittelt wird, die die volkswirtschaftlichen Daten i. S. d. Art. 298 MwStSystRL enthalten (Rz. 6), musste es sich jeweils um jenen Dreijahreszeitraum handeln, für den die LGR und die Umsatzsteuerstatistiken bereits vorliegen.
Diese gesetzliche Regelung zur Überprüfung und Anpassung der Durchschnittssätze hatte sich jedoch nicht bewährt. Nachdem die notwendige Anpassung der Durchschnittssätze mWv 1.1.2022 und mWv 1.1.2023 noch vorgenommen werden konnte, war bereits die im Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Wachstumschancengesetz vorgesehene, unionsrechtlich erforderliche Anpassung der Durchschnittssätze mWv 1.1.2024 aufgrund der politischen Auseinandersetzungen zu diesem Gesetz nicht zustandegekommen (Rz. 26a). Die dann erst mWv 6.12.2024 durch das JStG 2024 erfolgte unterjährige Anpassung der Durchschnittssätze (Rz. 26c) war zwar wegen ihrer nur kurzen Geltungsdauer kritisiert worden. Man kann dem Gesetzgeber aber zugestehen, dass er sich insoweit um ein vertragstreues Verhalten gegenüber der EU bemüht hat, das es erforderte, die Anpassung des Durchschnittssatzes unter den gegebenen Umständen so früh wie möglich vorzunehmen. Im Übrigen handelte es sich dabei um keine übermäßige bürokratische Erschwernis, da die leistenden Landwirte bzw. die Gutschriftssteller im Wesentlichen nur den Tag der Leistung genau beachten mussten. Darauf konnten sie sich bereits seit dem Beschluss des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung im Juni 2024 einstellen.
Rz. 317
Vor dem Hintergrund, dass sich also die alte Fassung der Norm nicht bewährt hatte, hatte der Gesetzgeber durch das JStG 2024 mWv 1.1.2025 u. a. den § 24 Abs. 5 UStG neu gefasst und hatte außerdem eine neue Anlage 5 zum UStG eingeführt (Rz. 26c). Ergibt sich nun in einem Folgejahr aus der in der Anlage 5 ausführlich beschriebenen Berechnung eine Abweichung zum Durchschnittssatz nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG, so ändert nach dem neuen § 24 Abs. 5 UStG das BMF diesen Durchschnittssatz durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats jeweils mWv 1. Januar des Folgejahres. Dies betrifft also die Anpassungen ab dem 1.1.2026. In der neuen Anlage 5 zum UStG ist u. a. geregelt, dass der neu berechnete Durchschnittssatz auf eine Nachkommastelle kaufmännisch gerundet wird. Außerdem wird der maßgebliche Dreijahreszeitraum genau bestimmt. So ist z. B. für die Berechnung auf den 1.1.2026 im Jahr 2025 der Zeitraum 2021 bis 2023 maßgeblich. Somit werden sich also u. a. die aufgrund der Corona-Pandemie im zweiten Halbjahr 2020 abgesenkten Steuersätze in § 12 UStG nicht mehr auf die Berechnung auswirken.
Für die Einfügung dieser Verordnungsermächtigung zur Festsetzung des Durchschnittssatzes spricht der Umstand, dass die Durchschnittssätze ohnehin aus Gründen des Unionsrechts anhand volkswirtschaftlicher Werte zu berechnen sind und dem Verordnungsgeber hier kein Ermessen eingeräumt ist. Da das UStG ein zustimmungspflichtiges Gesetz ist, bedürfen nach dem GG die aufgrund der Ermächtigungsnorm des § 24 Abs. 5 UStG erlassenen Rechtsverordnungen zutreffend der Zustimmung des Bundesrates. Zwar kann bei einer Anpassung der Durchschnittssätze der Verordnungsgeber nun nicht von der Möglichkeit nach Art. 298 MwStSystRL Gebrauch machen, den mathematisch ermittelten Durchschnittssatz auf einen halben Punkt aufzurunden (Rz. 35). Diese Möglichkeit hatte allerdings der Gesetzgeber bezüglich der Durchschnittssätze von 8,4 % ab dem 6.12.2024 und von 7,8 % ab dem 1.1.2025 auch nicht genutzt. Im Übrigen hat der Bundestag immer noch die Möglichkeit, den § 24 UStG künftig zu ändern und die Durchschnittssätze mit Zustimmung des Bundesrats wieder selbst anzupassen.