Rz. 247

Im Fall der Gewährung von Zuwendungen aus öffentlichen Kassen (wie Bund, Ländern und Kommunen) an land- und forstwirtschaftliche Betriebe ist nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, ob die Zahlung Entgelt i. S. d. § 10 Abs. 1 UStG für eine steuerbare Leistung des Land- und Forstwirts ist, oder ob es sich um einen echten, nicht umsatzsteuerbaren Zuschuss handelt.[1] Eine entgeltliche Leistung ist anzunehmen, wenn zwischen dem Landwirt und dem Zahlenden ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitig Leistungen ausgetauscht werden[2], wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung und einer Leistung des Landwirts besteht und wenn ein identifizierbarer Leistungsempfänger einen Vorteil erhält, der zu einem Verbrauch i. S. d. gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt. Ein echter Zuschuss kann dagegen vorliegen, wenn die Zahlung lediglich der Förderung der Tätigkeit des Empfängers allgemein – aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen – dient bzw. wenn der Landwirt an den Geldgeber (Zuwendungsgeber) keine Leistung zu dessen eigener Verwendung erbringt.[3]

 

Rz. 248

Der EuGH und der BFH haben zu öffentlichen Ausgleichszahlungen im Zusammenhang mit Nutzungseinschränkungen die folgenden Grundsätze entwickelt: Landwirte erbringen mit der freiwilligen Verpflichtung zur endgültigen Aufgabe der Milcherzeugung und mit dem Verzicht auf die Geltendmachung eines Anspruchs auf eine Milchquote/-referenzmenge gegen Milchaufgabevergütung keine steuerbare sonstige Leistung.[4] Wie der EuGH ausführt, fehlt es hier an einem Verbrauch i. S. d. gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystems, weil die Verpflichtung des Landwirts weder der EU noch den zuständigen nationalen Stellen Vorteile bringt, aufgrund deren sie als Leistungsempfänger angesehen werden könnten. Die EU handle insoweit lediglich im allgemeinen Interesse an der Förderung des ordnungsgemäßen Funktionierens des gemeinschaftlichen Milchmarktes.

Dasselbe gilt für die Verpflichtung eines Landwirts zur Extensivierung der Kartoffelproduktion – also zur Verringerung der Kartoffelproduktion bzw. dazu, einen Teil der angebauten Kartoffeln nicht zu ernten – für die dieser eine öffentliche Zuwendung erhält.[5] Auch die Brachlegung von Ackerflächen oder die Rodung von Apfelbäumen gegen eine entsprechende öffentliche Zuwendung stellt keine steuerbare Leistung dar, weil keine Gebietskörperschaft aus der Brachlegung einen eigenen Vorteil zieht. Vielmehr dient die Flächenstilllegung der Anpassung der landwirtschaftlichen Erzeugung an die Marktentwicklung und damit strukturpolitischen und allgemeinpolitischen Zielen im Interesse der produzierenden Landwirtschaft und der Allgemeinheit.[6]

 

Rz. 249

Die Grundsätze der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung sind entsprechend auf vergleichbare Zuwendungen aus öffentlichen Kassen anzuwenden, durch die Strukturveränderungen oder Verhaltensänderungen bei Land- und Forstwirten gefördert werden sollen[7]; sie gelten auch für öffentliche Zuwendungen im Zusammenhang mit der Stützung bestimmter Märkte für land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse. Detaillierte Aufstellungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung verschiedener öffentlicher Zuwendungen enthalten verschiedene Verwaltungsanweisungen.[8] Exemplarisch sind die folgenden öffentlichen Zuwendungen hervorzuheben:

 

Rz. 250

Die Beihilfe zur Verringerung der Milcherzeugung nach Art. 1 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2016/1612 der Kommission v. 8.9.2016 für Landwirte, die freiwilig nachweisbar ihre Milchanlieferung reduzieren, dient der Stützung des Milchmarktes und ist daher ein echter, nicht steuerbarer Zuschuss.[9] Zahlungen an Landwirte für Marktrücknahmen im Zusammenhang mit der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1031/2014 der Kommission v. 29.9.2014 zur Durchführung von Sonderstützungsmaßnahmen im Sektor Obst und Gemüse sind ebenfalls echte Zuschüsse; eine kostenfreie Abgabe der betroffenen Ware durch den Landwirt ist ggf. als unentgeltliche Wertabgabe i. S. d. § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG (Rz. 168) zu versteuern.[10] Öffentliche Zuwendungen auf der Grundlage der ELER-Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 für freiwillige Leistungen des Landwirts zur Verbesserung des Tierwohls, wie z. B. der Verzicht auf das Kupieren der Schwänze von Mastschweinen (sog. Ringelschwanzprämie), sind nicht steuerbar. S. dagegen Rz. 214a zu den Zahlungen im Rahmen der privatrechtlichen Initiative Tierwohl. S. Rz. 241 zu den Ausgleichszahlungen der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein nach § 58a BranntwMonG für die vorzeitige Befreiung von der Ablieferungspflicht.

 

Rz. 251

Beihilfen für den Ankauf von Schweinen auf der Grundlage verschiedener EG-Verordnungen (u. a. Verordnung Nr. 3088/93 der Kommission v. 9.11.1993) zur Stützung des Schweinemarkts im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Bekämpfung der Schweinepest (insbesondere Vermarktungsverboten für bestimmte Regionen) sind echte Zuschüsse.[11] Beihilfen für Trockenfutter nach der Verordnung (EG) Nr. 603/95 des Rates v. ...

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