Rz. 1

Durch das UStG v. 18.10.1967[1] wurde mWv 1.1.1968 in Deutschland das Mehrwertsteuersystem eingeführt. An die Stelle der bis dahin geltenden Steuerbefreiung trat die Besteuerung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe nach Durchschnittssätzen gem. § 24 UStG. Die Einführung der Besteuerung nach Durchschnittssätzen beruhte einerseits auf der Bestrebung des Gesetzgebers, die Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft in das Mehrwertsteuersystem einzugliedern, sie also in die Lage zu versetzen, Rechnungen mit offenem Ausweis der USt auszustellen. Andererseits sollten diese Unternehmen jedoch im Regelfall von der Pflicht zur Abgabe von Steueranmeldungen entbunden werden, weil der Gesetzgeber davon ausging, dass land- und forstwirtschaftliche Betriebe – zumal die nicht buchführungspflichtigen Betriebe – i. d. R. damit überfordert wären, die dafür erforderlichen Aufzeichnungen zu führen[2]; für die gesetzliche Festsetzung von Durchschnittssätzen für land- und forstwirtschaftliche Unternehmer bestünde daher eine Notwendigkeit und Berechtigung.[3] Die Einführung der Durchschnittssatzbesteuerung erfolgte allerdings erst aufgrund der Beratungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung im Finanzausschuss des Bundestags. Der Regierungsentwurf v. 30.10.1963[4] hatte noch keine Sonderregelung für die Land- und Forstwirtschaft vorgesehen. Nicht in Betracht kam in jedem Fall die Fortsetzung der "unechten" Steuerbefreiung der Umsätze der Land- und Forstwirtschaft, weil diese im Mehrwertsteuersystem mit dem damit verbundenen Ausschluss des Vorsteuerabzugs und somit der vollen Kostenwirkung der Vorsteuerbeträge eine völlig andersartige Wirkung gehabt hätte als in dem bis zum 31.12.1967 geltenden System der Allphasenbruttoumsatzsteuer.[5]

 

Rz. 2

Umgesetzt sind diese gesetzgeberischen Bestrebungen in § 24 UStG dergestalt, dass für die unter § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 3 UStG fallenden Umsätze von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen bzw. die "übrigen" Umsätze land- und forstwirtschaftlicher Betriebe i. S. d. § 24 Abs. 2 UStG die Steuer auf 5,5 % bzw. auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt wird. Die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge werden nach § 24 Abs. 1 S. 3 und 4 UStG pauschal auf 5,5 % bzw. auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage dieser Umsätze unter Entfall eines weiteren Vorsteuerabzugs festgesetzt, ohne dass es auf die Höhe und die Art der tatsächlich beim einzelnen Unternehmer entstandenen Vorsteuern ankommt (Rz. 257ff.). Somit gleichen sich Steuer und Vorsteuer aus, sodass der Land- bzw. Forstwirt im Ergebnis für diese Umsätze keine USt-Zahllast an das FA zu entrichten hat. Es können allerdings auch keine Vorsteuerüberhänge entstehen.

 

Rz. 3

Regelmäßig müssen für die unter die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG fallenden Umsätze keine USt-Voranmeldungen und bzw. oder USt-Jahreserklärungen abgegeben werden (Rz. 278ff.), womit u. a. auch eine Ersparnis bei den Steuerberatungskosten verbunden ist. Seinen Vertragspartnern darf der pauschalierende Land- bzw. Forstwirt die USt aber in Rechnung stellen. Letztlich handelt es sich bei der Durchschnittssatzbesteuerung also um eine Art Scheinbesteuerung,[6] die einer Nichtbesteuerung sehr nahe kommt. Ausgenommen von der beschriebenen Systematik sind die unter § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG fallenden Umsätze mit Sägewerkserzeugnissen, Getränken und alkoholischen Flüssigkeiten, für die bei einem Steuersatz von 19 % auf der Ausgangsseite und einer pauschalierten Vorsteuer von 10,7 % auf der Eingangsseite aus Gründen der Wettbewerbsneutralität immerhin eine Zahllast entsteht.[7]

 

Rz. 4

Im Unterschied zu einer Nichtbesteuerung oder einer unechten Steuerbefreiung wirken sich die pauschalierten Vorsteuerbeträge nicht kostenerhöhend aus, wenn der Pauschallandwirt seine Leistung an einen zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer (z. B. Molkerei oder Landhändler) erbringt. Insoweit kann der Pauschallandwirt außerdem Wettbewerbsvorteile gegenüber solchen Anbietern erzielen, die der Regelbesteuerung unterliegen (Landwirte, die zur Regelbesteuerung optiert haben, oder Nichtlandwirte).

 
Praxis-Beispiel

Landwirt Möhre veräußert selbst erzeugtes Gemüse an den Landhändler Hansen zum Preis von netto 1.000 EUR zzgl. 10,7 % USt = 1.107 EUR.

Bei Landwirt Möhre steht der USt von 107 EUR eine Vorsteuerpauschale in derselben Höhe gegenüber, sodass sich bei ihm insoweit keine Zahllast ergibt. Dagegen kann der Landhändler Hansen die ihm von Möhre in Rechnung gestellte USt von 107 EUR als Vorsteuer abziehen, während sein Weiterverkauf des Gemüses nur dem ermäßigten Steuersatz von 7 % gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 10 der Anlage 2 zum UStG unterliegt. Trotz Gewinnaufschlags beim Weiterverkauf kann der Landhändler somit u. U. bezogen auf diesen Vorgang einen ihm vom FA zu erstattenden Vorsteuerüberschuss erzielen.

 

Rz. 5

Dagegen ist die Durchschnittssatzbesteuerung tendenziell im Wettbewerb hinderlich, wenn die Leistung an Endverbraucher oder Unternehmer ohne Recht auf Vorsteuerabz...

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