Rz. 314

Die Vorschrift des § 21 Abs. 2a UStG wurde durch Gesetz v. 21.12.1993[1] mWv 1.1.1994 eingefügt. Die Regelung wäre bereits mWv 1.1.1993 erforderlich geworden, weil seitdem durch den neu gefassten § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG nicht mehr die Einfuhr in das "Zollgebiet", sondern die Einfuhr im Inland und in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg Steuertatbestand der EUSt ist.[2]  Nicht zum Inland gehörten die im Ausland bestehenden vorgeschobenen Abfertigungsplätze, auf denen die Zollabfertigungen und damit auch die für die EUSt-Abfertigung notwendigen Amtshandlungen durchgeführt wurden. Die Gesetzesänderung wurde zum 1.1.1994 auch dadurch erforderlich, dass die Regelung des § 2 Abs. 7 ZG seit diesem Zeitpunkt entfiel.[3]  Seit dem 1.1.1994 bezieht sich der Begriff "Zollgebiet" nur noch auf das Unionszollgebiet; ein nationales Zollgebiet ist nicht mehr gesetzlich definiert.

 

Rz. 315

Abfertigungsplätze außerhalb des Zollgebiets der Union entsprechen den früheren Abfertigungsplätzen außerhalb des Zollgebiets in § 2 Abs. 7 ZG. Es handelt sich um Zollstellen, die ihre Abfertigungstätigkeit ins Ausland verlagern, z. B. örtliche und Verkehrsschwierigkeiten, Gemeinschaftszollstellen. Der Begriff umfasst sämtliche Örtlichkeiten, an denen Beamte befugtermaßen Abfertigungshandlungen vornehmen, insbesondere auch die Verbindungswege vom Drittlandsgebiet zum Inland, z. B. in Freihäfen, auf schwimmenden Schiffen, in fahrenden Zügen im Ausland.

 

Rz. 316

Es liegt im Interesse der Wirtschaft und der Verwaltung, die Zollabfertigung an verkehrsmäßig günstige Plätze zu verlegen. Der stark angewachsene grenzüberschreitende Warenverkehr macht es erforderlich, Grenzabfertigungen beider gegenüberliegender Staaten örtlich zusammenzufassen bzw. im Interesse des flüssigen internationalen Verkehrs Aufenthaltszeiten möglichst zu vermeiden (z. B. im Eisenbahn-, Schiff- und Flugverkehr).

 

Rz. 317

Die Regelung in § 21 Abs. 2a UStG ist insbesondere wegen der Abgabenschuldentstehung von Bedeutung. In Fällen von Unregelmäßigkeiten, z. B. Schmuggel, würde die Erhebung der Einfuhrabgaben auf vorgeschobenen Abfertigungsplätzen scheitern, weil deren Entstehung erst von dem künftigen Grenzübertritt abhängig wäre. Deshalb wurde schon im Vereinszollgesetz die gesetzliche Fiktion eingefügt, dass die vorgeschobenen Zollstellen als deutsches Zollgebiet gelten.[4]  Dadurch gilt die Zollgrenze auf diese Abfertigungsplätze vorverlegt, soweit dazu befugte Zollorgane Amtshandlungen nach dem Zollrecht tatsächlich vornehmen.

 

Rz. 318

Amtshandlungen i. S. v. § 21 Abs. 2a UStG sind nicht nur Amtshandlungen aufgrund einer Zollanmeldung[5], sondern alle Tätigkeiten, die eine Zollstelle im Rahmen ihrer Befugnisse vornimmt, z. B. Erfassung und Überprüfung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs. Diese Amtshandlungen beginnen grundsätzlich mit der Entgegennahme der Gestellung. Fraglich ist, ob gesetzliche Wirkungen ohne tatsächliches Tätigwerden von Zollbeamten, z. B. Benutzen des Grünkanals gilt als Gestellung, Annahme der Zollanmeldung und Überlassung (Art. 141 DelVO), als "vorgenommene" Amtshandlungen i. S. d. § 21 Abs. 2a UStG angesehen werden können. Dies ist m. E. zu bejahen, weil gerade die gesetzliche Fiktion dazu dient, das zollamtliche Untätigsein als tatsächlich durchgeführte Amtshandlungen zu behandeln, z. B. Abfertigung von Fahrzeugen zur vorübergehenden Verwendung im Zollgebiet.

 

Rz. 319

Das Unionszollrecht hat in Art. 135 Abs. 4 UZK eine vergleichbare Regelung gefunden. Nach dieser Vorschrift werden in das Zollgebiet der Union verbrachte Waren Waren gleichgestellt, die sich noch außerhalb dieses Zollgebiets befinden, aber von Zollbehörden eines Mitgliedstaats aufgrund des geltenden Rechts, insbesondere aufgrund eines Abkommens mit dem Drittland, einer zollamtlichen Prüfung unterzogen werden können. Eine sinngemäße Anwendung der zollrechtlichen Regelung in Art. 135 Abs. 4 UZK scheidet nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG aus, weil nicht die Einfuhr in das Zollgebiet, und schon gar nicht die in das Zollgebiet der Union, Steuergegenstand der EUSt ist.[6]

 

Rz. 320

Aufgrund der Regelung in § 21 Abs. 2a UStG gelten Gegenstände als eingeführt i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG mit der Berechtigung zum Vorsteuerabzug, denn die im gleichen Gesetz gleichermaßen verwendeten Begriffe (§§ 1 Abs. 1 Nr. 4 und 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG) haben auch gleiche Bedeutung.[7]

[1] Art. 20 Nr. 20 Buchst. c des Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes v. 21.12.1993, BGB I 1993, 3210, BStBl I 1994, 50.
[2] S. Schwarz, ZfZ 1961, 212; ders., UR 1961, 98.
[3] Art. 3 Abs. 1 ZollÄndG v. 21.12.1992, BGBl I 1992, 2125.
[4] Hepp, ZfZ 1932, 301.
[5] So Krafft, ZfZ 1965, 133.
[6] Dänzer/Vanotti, in Regul IV G 2 Einführung 4; Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 2. Aufl., § 2 ZG Rz. 10a.
[7] Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 2. Aufl., § 2 ZG Rz. 15a; BMF v. 25.4.1973, UR 1973, 128; a. A. Eckhardt/Weiß, § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG Rz. 28, Rz. 112.

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