Rz. 100

Das zuständige FA kann dem Unternehmer die Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten gestatten. Die Gestattung des FA ist ein begünstigender Verwaltungsakt[1], die Entscheidung wird nach § 118 S. 1 AO durch formlosen Verwaltungsakt getroffen. Die Gestattung erfolgt regelmäßig unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs.[2]

 

Rz. 101

Der Verwaltungsakt muss bekannt gegeben werden, um wirksam zu sein (§ 124 Abs. 1 AO). Nach der Rechtsprechung des BFH[3] braucht die Bekanntgabe aber nicht förmlich zu erfolgen. Der Verwaltungsakt kann auch formlos durch eine erkennbare Gestattung der beantragten Besteuerung bekannt gegeben werden; er muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch stillschweigend bekannt gegeben werden.[4] Daraus ergibt sich, dass keine Gestattung zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten vorhanden ist, wenn das FA keine oder keine nach außen erkennbare Entscheidung trifft. Die Unterlassung einer Ablehnung kann nicht als Genehmigung interpretiert werden.[5] Damit ist es für die Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten nicht ausreichend, dass der Steuerpflichtige einen Antrag auf Gestattung beim zuständigen FA gestellt hat.[6] Versteuert der Unternehmer ohne förmliche Genehmigung nach vereinnahmten Entgelten, ist ein nachträglicher Antrag anzuregen, wenn die Voraussetzungen des § 20 UStG vorliegen. Die Finanzverwaltung hat ausdrücklich festgestellt, dass in die Genehmigung auch Besteuerungszeiträume einbezogen werden können, die dem Kj. der Antragstellung vorangehen.[7]

Hat der Unternehmer in den Jahressteuererklärungen ab dem Besteuerungszeitraum 2019 in dem Erklärungsformular die Angabe zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten vorgenommen (Rz. 95a), wird in einer vom FA daraufhin erklärungsgemäß vorgenommenen Veranlagung eine stillschweigend erteilte Gestattung anzunehmen sein.

 

Rz. 102

Liegen die Voraussetzungen nach § 20 S. 1 UStG nicht vor, darf die Finanzverwaltung die Genehmigung zur Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten nicht erteilen. Liegt eine der notwendigen Voraussetzungen vor, steht die Entscheidung im Ermessen des FA. Die Versagung der Gestattung wäre aber dann ermessenwidrig, wenn keine gewichtigen Gründe dagegen sprechen würden. Insoweit wird von einer Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf die Erteilung der Gestattung auszugehen sein, wenn nicht besondere Umstände des Falls eine andere Entscheidung gebieten.[8]

 

Rz. 103

Ein besonderer Grund, die Gestattung der Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten abzulehnen, liegt insbesondere dann vor, wenn zwischen verbundenen Unternehmen oder zwischen dem Unternehmer und ihm nahestehende Unternehmer Leistungen ausgeführt werden, die auf der Seite des Leistungsempfängers den sofortigen Vorsteuerabzug ermöglichen, die Steuerentstehung durch gestreckte Zahlungen oder erst weit in der Zukunft liegende Zahlungen beim leistenden Unternehmer bei Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten aber erst in der Zukunft erfolgt bzw. vielleicht sogar gefährdet erscheint.[9] Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass die Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers unabhängig von der Steuerentstehung beim leistenden Unternehmer offensichtlich nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist, vgl. dazu Rz. 125a. Eine Ablehnung aber alleine auf Liquiditätsvorteile des leistenden Unternehmers zu stützen, wäre ermessensfehlerhaft, da bei der Berechnung der USt in den Fällen des § 20 S. 1 Nr. 1 UStG gerade die Stärkung der Liquidität kleiner und mittlerer Unternehmer Zweck der Regelung ist.

 

Rz. 104

Ein ständiger Wechsel zwischen der Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten gem. § 20 UStG und der Berechnung der USt nach vereinbarten Entgelten wäre ebenfalls ein Grund, eine erneute Gestattung für die Berechnung der USt nach § 20 UStG zu versagen, da in diesem Fall der für den Unternehmer erwünschte Vereinfachungseffekt nicht erreichbar ist.

 

Rz. 105

Lehnt das zuständige FA die Gestattung ab, ist der Bescheid selbstständig mit Rechtsbehelfen (Einspruch nach § 347 AO) anfechtbar. Wird von dem FA einem gegen die Ablehnung gerichteten Einspruch nicht stattgegeben, kann die Entscheidung vom Gericht nach § 102 FGO nur daraufhin überprüft werden, ob die Finanzbehörde bei der Ablehnung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

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