Rz. 65

Unabhängig von der Höhe des Gesamtumsatzes kann einem Unternehmer nach § 20 S. 1 Nr. 2 UStG die Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten gestattet werden, wenn er von der Verpflichtung, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 AO befreit ist.

 

Rz. 66

Nach § 148 AO können die Finanzbehörden "Erleichterungen" bewilligen, während § 20 S. 1 Nr. 2 UStG eine "Befreiung" von der Verpflichtung, Bücher zu führen, fordert. Da die Finanzbehörden nicht befugt sind, dauerhaft Befreiungen von der Verpflichtung, Bücher zu führen, zu bewilligen[1], muss § 20 S. 1 Nr. 2 UStG so ausgelegt werden, dass die Voraussetzung zur Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten immer dann – und solange – vorliegt, wie die Bewilligung der Erleichterung nach § 148 AO erteilt wurde.

 

Rz. 67

Ergibt sich die Verpflichtung, Bücher zu führen, nicht aus anderen Gesetzen, müssen gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte nach § 141 Abs. 1 AO auch dann Bücher führen, wenn sie nach den Feststellungen der Finanzbehörde für den einzelnen Betrieb bestimmte – alternative – Voraussetzungen erfüllen:

  • Die Umsätze (einschließlich steuerfreie Umsätze mit Ausnahme der Umsätze nach § 4 Nr. 8 bis Nr. 10 UStG) haben mehr als 600.000 EUR[2] im Kj. betragen oder
  • die selbstbewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Flächen haben einen Wirtschaftswert[3] von mehr als 25.000 EUR oder
  • der Gewinn aus Gewerbebetrieb hat mehr als 60.000 EUR[4] im Wirtschaftsjahr betragen oder
  • der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft hat mehr als 60.000 EUR[5] im Kj. betragen.
 

Rz. 68

Die Finanzbehörden können aber für einzelne Fälle oder für bestimmte Gruppen von Fällen nach § 148 AO Erleichterungen bewilligen, wenn die Einhaltung der durch die Steuergesetze begründeten Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten Härten mit sich bringt und die Besteuerung durch die Erleichterung nicht beeinträchtigt wird.

 

Rz. 69

Die Erleichterungen nach § 148 AO können nur für die Verpflichtungen aus Steuergesetzen – nicht nur durch die in der AO geregelten Verpflichtungen – bewilligt werden.[6] Pflichten, die nach anderen Gesetzen oder Rechtsverordnungen begründet werden, können von der Finanzverwaltung nach § 148 AO nicht erleichtert werden. Damit kann sich im Ergebnis die Gestattung der Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten nach § 20 S. 1 Nr. 2 UStG nur für die Fälle ergeben, in denen sich für einen Unternehmer nach § 141 Abs. 1 AO die Verpflichtung ergeben hat, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, er aber nach § 148 AO von dieser Verpflichtung befreit worden ist.

 

Rz. 70

Da sich die Verpflichtung zur Buchführung nach § 141 Abs. 1 AO nur für gewerbliche Unternehmer oder Land- und Forstwirte ergeben kann, kann die Bewilligung von Erleichterungen nach § 148 AO auch nur diese Unternehmer betreffen. Daraus folgt, dass Unternehmer, die bereits kraft Gesetzes keine Bücher führen müssen und denen deshalb auch keine Buchführungserleichterung nach § 148 AO gewährt werden kann, grundsätzlich nicht nach dieser Rechtsnorm nach vereinnahmten Entgelten besteuern dürfen.[7] Damit können freiberuflich Tätige nicht unter § 20 S. 1 Nr. 2 UStG fallen. Da sich für diese Gruppe von Unternehmern aber die Möglichkeit zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten nach § 20 S. 1 Nr. 3 UStG ergibt, besteht insoweit keine Regelungslücke. Anders ist es bei Unternehmern, die weder zu den gewerblichen Unternehmern noch zu den Freiberuflern gehören. In diesem Fall kann sich eine Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten nur dann ergeben, wenn der Gesamtumsatz nach § 20 S. 1 Nr. 1 UStG nicht mehr als 600.000 EUR betragen hat. Von Bedeutung kann dies insbesondere für vermögensverwaltende Vermietungsunternehmen sein, die Einkünfte nach § 21 EStG erzielen und – wenn der Gesamtumsatz mehr als 600.000 EUR beträgt – die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten vornehmen müssen.

 

Rz. 71

Teilweise wurde für Vermietungsunternehmen die Auffassung vertreten, dass die Berechnung nach vereinbarten Entgelten nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen kann, da bis zur Einführung der AO 1977 die Vermietungsunternehmen unter die Buchführungspflicht des § 161 Abs. 1 RAO fielen, unter den Voraussetzungen des § 161 Abs. 2 RAO aber von der Buchführungsverpflichtung befreit werden konnten. Erst mit dem Übergang auf die AO 1977 fielen nur die gewerblichen Unternehmen und die Land- und Forstwirte unter § 141 AO. Da aber auch bis 1976 die Ausnahme von der Verpflichtung Bücher zu führen nach § 161 Abs. 2 RAO nur in besonderen Ausnahmefällen (z. B. Überschreiten der bestehenden Umsatzgrenze durch außergewöhnliche und einmalige Geschäftsvorfälle[8]) gewährt werden konnte, ergibt sich nach Auffassung des BFH durch diesen Übergang auch seit 1977 keine Regelungslücke für Vermietungsunternehmen.[9] In der Praxis werden Fälle, in denen eine Buchführungsverpflichtung sich nicht schon aus anderen Gesetzen ergibt (z. B. bei Kapitalgesells...

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