Rz. 402

Unabhängig von den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 KStG darf es sich bei der Tätigkeit der jPöR nicht um eine Tätigkeit handeln, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dient.[1] Eine Tätigkeit, die der Ausübung der öffentlichen Gewalt dient, kann somit nie im Rahmen des Unternehmens ausgeübt werden, diese Leistungen sind in Ermangelung der Unternehmereigenschaft nicht steuerbar. Die jPöR kann aus Leistungsbezügen, die sie für diese Zwecke erhält, keinen Vorsteuerabzug vornehmen.

 

Rz. 403

Die Ausübung öffentlicher Gewalt liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH[2] dann vor, wenn die Tätigkeit öffentlich-rechtlichen Körperschaften eigentümlich und vorbehalten ist. Kennzeichnend dafür sei die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist.[3] Übernimmt allerdings die öffentliche Hand in größerem Umfang Aufgaben, wie sie auch Privatpersonen ausüben, und tritt sie dadurch – auch nur ungewollt – in Wettbewerb zur privaten Wirtschaft, ist die Tätigkeit nicht mehr der öffentlichen Hand eigentümlich und vorbehalten, also auch keine hoheitliche Tätigkeit.

 

Rz. 404

Im Einzelnen kann die Unterscheidung in hoheitliche und nicht hoheitliche Aufgaben Schwierigkeiten bereiten. So hat der BFH entschieden[4], dass sich eine Körperschaft des öffentlichen Rechts auch insoweit unternehmerisch i. S. v. § 2 Abs. 3 UStG betätigen kann, als sie gesetzlich zugewiesene Aufgaben erfüllt und konkurrierende private Unternehmer nicht vorhanden sind. Entscheidend ist, ob die Körperschaft des öffentlichen Rechts Tätigkeiten ausführt, wie sie auch von einem privaten Unternehmer ausgeführt werden können. Allerdings liegt eine hoheitliche Aufgabe immer dann vor, wenn eine öffentlich-rechtliche Aufgabenzuweisung an die jPöR erfolgte und diese Aufgabe regelmäßig nur mit den Mitteln des öffentlichen Rechts erfüllt werden kann. Schwierigkeiten ergeben sich in diesen Fällen in der Abgrenzung zu den sog. Beistandsleistungen (Rz. 413a ff.).

 

Rz. 405

Wird ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen in die Erfüllung der hoheitlichen Tätigkeit mit einbezogen (sog. beliehene Unternehmer) und werden ihm Hoheitsrechte übertragen, erbringt der private Unternehmer eine steuerbare Leistung, die nicht der Ausübung der öffentlichen Gewalt dient.[5] In aller Regel wird diese Leistung an den Auftraggeber, in diesem Fall an die jPöR erbracht. Ein Leistungsaustausch mit dem direkten Nutzer der Leistung (im Regelfall der Bürger) kommt insoweit nicht zustande.

 

Beispiel: Leistungserbringung durch private Unternehmer

Eine nach der Gemeindesatzung zur Abwasserbeseitigung verpflichtete Gemeinde beauftragt eine GmbH mit der Errichtung und dem Betrieb einer Kläranlage. Nach der Rechtsprechung des BFH[6] erbringt die GmbH, welche die einer Gemeinde nach Landesrecht obliegende Verpflichtung zur Abwasserbeseitigung einschließlich der Errichtung der dafür benötigten Bauwerke übernimmt und dafür u. a. einen vertraglichen Anspruch auf die der Gemeinde zustehenden Förderungsmittel erlangt, eine steuerbare Leistung an die Gemeinde. Damit liegt eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung der GmbH an die Gemeinde vor. Die nach der Gemeindesatzung weiterhin von der Gemeinde an die angeschlossenen Bürger erbrachte Leistung fällt in den hoheitlichen Bereich der Gemeinde und ist insoweit nicht steuerbar. Ein Vorsteuerabzug der Gemeinde aus der von der GmbH an sie ausgeführten Leistung entfällt.

 

Rz. 405a

Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich aber auch für solche beliehenen Unternehmer nach der Rechtsprechung des EuGH[7] die Möglichkeit ergeben, Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt auszuüben und damit nicht steuerbare Leistungen erbringen zu können. Dazu muss es sich bei der juristischen Person des Privatrechts um eine öffentliche Einrichtung handeln, die im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig wird. Als öffentliche Einrichtung wird sie tätig, wenn sie in die Organisation der öffentlichen Verwaltung eingegliedert ist. Dafür spricht nach Auffassung des EuGH u. a., wenn sich die Anteile vollständig in dem Besitz einer öffentlichen Einrichtung befinden und diese Einrichtung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen die Aufsicht über die Einrichtung führt. Weiterhin wurden in dem entschiedenen Fall die Leistungen nach gesetzlichen Vorschriften ausschließlich durch die juristische Person des Privatrechts ausgeführt. Maßnahmen der öffentlichen Gewalt liegen nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH dann vor, wenn die Einrichtung Tätigkeiten im Rahmen der ihr eigenen rechtlichen Regelungen ausübt. Nicht dazu gehören Tätigkeiten, die sie unter gleichen rechtlichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer.

 

Rz. 406

Allerdings ist zu beachten, dass bei der Einschaltung privater Unternehmen in hoheitliche Aufgaben, die mit den Leistungsempfängern privatrechtliche Verträ...

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