Rz. 382a

Getrieben von den Vorgaben des EuGH und den systematischen Vorgaben der MwStSystRL hatte der BFH in diversen Urteilen in den vergangenen Jahren die bislang geltende – sehr ertragsteuerrechtlich geprägte – nationale Auslegung der gesetzlichen Vorgaben des § 2 Abs. 3 UStG immer weiter ausgehöhlt. Eine zeitnahe Umsetzung der Rechtsprechung des BFH war der FinVerw allerdings nicht möglich, da dies vor dem Hintergrund der von den unionsrechtlichen Vorgaben abweichenden bisherigen nationalen Regelungen für die jPöR erhebliche Nachteile bedeutet hätte. Nachdem insbesondere durch die Rechtsprechung des BFH zu den Beistandsleistungen (vgl. Rz. 413a) eine neue gesetzliche Regelung in § 2b UStG notwendig wurde, hat das BMF 2017[1] die in den vergangenen Jahren zu § 2 Abs. 3 UStG gefällten Urteile des BFH, die bisher nicht amtlich veröffentlicht und damit von der FinVerw auch nicht allgemein angewendet worden waren, zur allgemeinen Veröffentlichung freigegeben. Dies betrifft die folgenden Entscheidungen:

  • Steuerfreie Vermietungsumsätze können gem. Art. 13 MwStSystRL nur dann als eine Tätigkeit behandelt werden, die die jPöR im Rahmen der öffentlichen Gewalt (und damit nicht unternehmerisch) ausführt, wenn dies durch eine ausdrückliche nationale gesetzliche Regelung vorgegeben ist.[2]
  • Eine Gemeinde, die sich als Gegenleistung für die Übereignung eines mit Werbeaufdrucken versehenen Werbemobils verpflichtet, dieses für 5 Jahre in der Öffentlichkeit zu bewegen, ist unabhängig der von der FinVerw[3] vorgegebenen Umsatzgrenzen Unternehmerin.[4]
  • Dem Begriff der "Vermögensverwaltung" kommt umsatzsteuerrechtlich für die Unternehmerstellung einer jPöR durch einen "Betrieb gewerblicher Art" keine Bedeutung zu. Gestattet eine Universität als jPöR durch privatrechtlichen Vertrag das Aufstellen von Automaten gegen Entgelt, erbringt sie als Unternehmer steuerbare und steuerpflichtige Leistungen. Ebenso handelt sie als Unternehmerin, wenn sie auf öffentlich-rechtlicher Rechtsgrundlage Personal und Sachmittel gegen Entgelt überlässt, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.[5]
  • Ein kommunaler Zweckverband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, der eine Wasserversorgungsanlage zur Förderung und Abgabe von Trink- und Gebrauchswasser betreibt, ist Unternehmer.[6]
  • Zur unternehmerischen Ausführung der Beistandsleistungen: Gestattet eine Gemeinde gegen Entgelt die Nutzung einer Sport- und Freizeithalle, ist sie gem. § 2 Abs. 3 S. 1 UStG als Unternehmer tätig, wenn sie ihre Leistung entweder auf zivilrechtlicher Grundlage oder – im Wettbewerb zu Privaten – auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbringt. Gleiches gilt für die entgeltliche Nutzungsüberlassung der Halle an eine Nachbargemeinde für Zwecke des Schulsports. Auch eine sog. Beistandsleistung, die zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts gegen Entgelt erbracht wird, ist steuerbar und bei Fehlen besonderer Befreiungstatbestände steuerpflichtig.[7]
  • Eine Gemeinde, die nicht auf privatrechtlicher, sondern auf hoheitlicher Grundlage Stellplätze für Pkw in einer Tiefgarage gegen Entgelt überlässt, handelt als Unternehmer und erbringt steuerpflichtige Leistungen, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Eine derartige Wettbewerbsverzerrung liegt auch vor, wenn eine Gemeinde Stellplätze zwar auf einer öffentlich-rechtlich gewidmeten "Straße" überlässt, es sich hierbei jedoch um Flächen einer Tiefgarage handelt.[8]
  • Vermietet eine Gemeinde Standflächen bei einer Kirmesveranstaltung auf zivilrechtlicher Grundlage, handelt sie als Unternehmerin.[9]
  • Eine Landesärztekammer ist als jPöR im Rahmen der sog. „externen Qualitätssicherung Krankenhaus” nicht unternehmerisch tätig, wenn sie insoweit auf öffentlich-rechtlicher Grundlage handelt und ihre Behandlung als Nichtunternehmerin nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.[10]

Die genannten Urteile wurden von der FinVerw bis zur Veröffentlichung des BMF-Schreibens[11] nicht angewendet. JPöR konnten sich aber im Einzelfall – wenn sie es wollten – auf diese Urteile berufen und wurden dann regelmäßig entsprechend behandelt.

 

Rz. 382b

Mit der Veröffentlichung im BStBl sind die Urteile allgemein zur Anwendung freigegeben worden. Zur zeitlichen Anwendung hat die FinVerw allerdings bestimmt, dass für alle vor dem 1.1.2017 ausgeführten Leistungen die bisher zu § 2 Abs. 3 UStG vertretene Verwaltungsauffassung (Abschn. 2.11 UStAE) weiterhin maßgeblich ist. Die FinVerw beanstandet es aber nicht, wenn die jPöR die hiervon abweichende Rechtsprechung des BFH der Besteuerung zugrunde legt, sofern dies einheitlich für das gesamte Unternehmen erfolgt. Eine Beschränkung auf einzelne Tätigkeitsbereiche oder Leistungen ist nicht zulässig. Auch in den Fällen, in denen die jPöR entsprechend des Wahlrechts nach § 27 Abs. 22 S. 3 UStG die Altregelung des § 2 Abs. 3 UStG (maximal bis zum 31.12.2024; § 27 Abs. 22a UStG...

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